Plötzlich 30er-Zone: Was sich mit dem Umzug ins eigene Haus ändert (7:00)

Im eigenen Haus zu wohnen, ist mit dem Leben in einer gewöhnlichen Mietwohnung nicht zu vergleichen. Wir residieren seit einiger Zeit in einer 30er-Zone und haben jetzt viel mehr Platz als vorher. Einen Keller, einen Garten und richtige Nachbarn. Und das ist vor allem eins: Anders!

Geil, viel Platz!

Boah, wie geil! So viel Platz! Endlich haben wir ein großes Wohnzimmer und eine große helle Küche, von der aus wir direkt in den Garten gehen können. Endlich kann ich mir ein eigenes Arbeitszimmer einrichten mit ganz vielen Regalen darin für meine Bücher. Endlich haben wir einen Keller, in dem wir alles lagern und Wäsche waschen können. Und dann noch die Garage! Herrlich, so viel Platz!

Scheiße, viel Platz!

Oh mein Gott, so viel Platz! Erdgeschoss, Obergeschoss und Keller, dazu Garage und Gartenhäuschen. Seitdem wir eingezogen sind, bin ich nur noch am Rennen! Stehe ich unten  im Flur, habe ich oben etwas vergessen. Will ich oben einen Schrank zusammenbauen, fehlt mir noch ein Werkzeug aus dem Keller. Im Bad stapelt sich die Wäsche, weil niemand Bock hat, sie in den Keller zu bringen. Und wenn ich mal runter gehe, um mir eine Fanta zu holen, vergesse ich den Wäschesack natürlich! Und dann noch die Garage! Habe ich die Leiter dort abgestellt oder ist sie im Keller? Furchtbar!

Cool, 30er-Zone!

Ach, wie schön! Diese Ruhe! Vorher haben wir ja an einer Bundesstraße gewohnt mit ganz viel Verkehr und Blaulicht und Einkaufswagen und Supermarktkunden gegenüber. Endlich ist das alles weg. Nachts können wir jetzt sogar das Schlafzimmerfenster offenlassen, so ruhig ist das! Hier fahren so wenig Autos, da können Kinder gefahrenlos auf der Straße spielen. Echt toll!

Oh Gott,  30er-Zone!

Boah, diese Ruhe nervt! Hier passiert ja gar nichts! Keine Autos, keine Sirene – das ist ja wie aufm Dorf hier. Wenn der Paketbote vor der Tür hält, hört man den alten Diesel tuckern. Und dann muss man natürlich aus dem Fenster gucken, wer da kommt. Sonst kommt hier ja keiner vorbei! Hier spielen die Kinder mitten auf der Straße. Wie aufm Dorf!

Wir haben jetzt richtige Nachbarn

Wie jetzt, richtig? Na ja, richtige Nachbarn eben. Nachbarn, die man grüßen und mit denen man sich manchmal sogar unterhalten muss. Früher haben wir ja in diesem anonymen Wohnblock gewohnt. Da hatten wir auch Nachbarn und mit denen haben wir uns natürlich auch unterhalten, doch im Großen und Ganzen sind die uns ja egal gewesen. Jetzt haben wir Nachbarn, mit denen wir uns gut stellen müssen. Schließlich werden wir mit denen mehrere Jahrzehnte klarkommen müssen, wenn es gut läuft. Ein eigenes Haus ist etwas ganz anderes als ein Mietshaus. Der Einfamilienhauseigentümer achtet sehr viel mehr darauf, was in seinem Umfeld passiert. Ist der Garten gemacht? Oder die Musik zu laut? Parken die Autos richtig? Früher gingen Beschwerden immer über die Hausverwaltung und versauerten dort meistens. Jetzt müssen wir uns selbst kümmern.

Auf der anderen Seite ist vieles auch freundlicher geworden. Schon kurz nach der Schlüsselübergabe, als unser Haus noch aussah wie ein 70er-Jahre-Teppichmuseum und an Einzug noch lange nicht zu denken war, stellten sich die ersten Nachbarn vor. Viele haben Katzen. Manche schmeißen Autoreifen in den Kamin. Riecht manchmal jedenfalls so. Ist eigentlich aber alles nett.

Wir haben jetzt einen Garten

Ein großer Garten ist schon geil. Manchmal stehe ich am Fenster und blicke auf mein Anwesen. Bis zum Horizont erstreckt sich das Land, auf dem sich die Viehherden am satten Grün der Wiesen laben und Wildpferde zwischen Bächen und kleinen Hainen umher tollen. Doch das Land muss auch bestellt werden. Wir haben jetzt Rhododendron und Kirschlorbeer im Garten. Und einen mickrigen Apfelbaum und Tulpen und Maiglöckchen und unzähliges anderes Zeug. Und natürlich einen Benzinrasenmäher, den ich regelmäßig über den hoffnungslos vermoosten Rasen jage. Und wir haben eine Wäscheleine. Die Pfosten für die Wäscheleine waren das erste Bauwerk, das ich in unserem Garten errichtet habe. Da baumeln jetzt ab und zu unsere Socken im Wind. Das hat der Nachbar bestimmt schon gesehen.

Wir haben jetzt einen eigenen Hof

Ja, einen Hof. Da kann man sein Auto drauf abstellen. Das ist super, denn so spart man ordentlich Zeit, weil man nicht mehr vier Stockwerke runter und hinter den Wohnblock auf den Garagenhof hetzen muss, um an sein Auto zu gelangen. Der eigene Hof muss aber auch gepflegt werden, ist er doch, neben dem Vorgarten, das Aushängeschild des Hauses. Im Sommer wird er gefegt, im Winter muss Schnee geräumt und Salz gestreut werden. Da könnte ja sonst was passieren!

Wir haben Mülltonnen bestellt

Auf den Hof mussten wir natürlich auch Mülltonnen stellen. Drei verschiedene.

„Welche Größe brauchen wir denn?“

„Ja, was weiß denn ich! Ich bestell‘ mal irgendwas!“

Heute weiß ich: Die Biotonne könnte größer. Im Garten fällt viel an. Restmüll könnte wahrscheinlich kleiner, doch wir haben hier und da noch Bauschutt in den Ecken. Und Papier? Papier kostet nix, ist also egal.

Viel mehr Besuch als früher

Hätten wir doch bloß niemandem verraten, dass wir uns ein Haus gekauft haben! Plötzlich wollen alle vorbeikommen und gucken. Ständig klingelt es und alle fragen immer „Naaaaa… wie läuft’s mit dem Haus? Also wir haben ja jetzt…“ Ja, schön, wir nicht!

Ganz ohne Hintergedanken sind wir ja damals in diese Dachgeschosswohnung im vierten Stock gezogen. Ohne Fahrstuhl. Der Besuch, vor allem die Ü-60-Fraktion, brauchte oben immer ein paar Minuten im Sauerstoffzelt, bevor er eine anständige Begrüßung über die Lippen bekam.

Und jetzt? Jetzt wird sich schon fast beschwert, wenn man mal zwei Wochen lang nicht zum Kaffee eingeladen wurde. In den ersten sechs Monaten im eigenen Haus hatten wir schon mehr Besuch als in den ganzen sechs Jahren in der Wohnung davor! Das Gute ist aber: Besuch hat immer Geschenke mit. Der viele Platz muss ja voll werden.

Dazu ein Tipp: Wer zum Einzug Pflanzen für den Garten geschenkt bekommt, sollte sie auch einpflanzen. Wenn sie einfach im Hauseingang stehengelassen werden und sich nach ein paar Wochen in Kompost verwandelt haben, kann das beim nächsten Besuch ganz schön peinlich werden.

Bei allen Vor- und Nachteilen steht aber fest: Ein eigenes Haus ist schon cool. Wir hatten uns für die Variante entschieden, eine hässliche, teppichverseuchte Kackbude zu kaufen und sie schick zu machen. Böden, Fliesen, Bäder – sieht jetzt alles so aus, wie wir das haben wollten. Nur eine Sache werde ich in meinem Leben nie wieder machen, und zwar: Plissees anbringen. Das ist eine dermaßen beschissene Fummelarbeit, da streiche ich lieber die Fenster schwarz! Aber ich rege mich schon wieder auf…

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