Mülleimer, Kaffeebecher, Kochtopf – So sah letztens meine Einkaufsliste aus, mit der ich mich auf den Weg ins Möbelhaus machte. Natürlich hätte ich mich auch im Internet auf die Suche nach den passenden Artikeln machen können, doch für die Online-Recherche auf den diversen Portalen plus Bestellvorgang inklusive der Eingabe von Adressdaten und Zahlungsmodalitäten veranschlagte ich mindestens genau so viel Zeit wie für den Gang in den Fachhandel. Dazu noch das tagelange Warten auf den Paketdienst und eventuelle Verzögerungen in der Zustellung, falls niemand zu Hause sein sollte. Außerdem fasse ich die Dinge gerne an. Und überhaupt: Support your local Dealer!
Das Möbelhaus war keines von diesen blau-gelben, aber trotzdem ein großes, in dem ich schon oft erfolgreich einkaufen gewesen bin. Deswegen machte ich mich recht optimistisch auf den Weg.
Ein neuer Mülleimer war nötig, weil wir seit ein paar Monaten dieses Haus hatten. Mit neuer Küche und einer neuen Mülltrennungssituation unter der Spüle. Für den Biomüll war der vorab installierte Zehn-Liter-Eimer einfach zu groß. Im Sommer kompostierte alles lustig vor sich hin, während die Fruchtfliegen unter unserem Spülbecken ganze Wochenendseminare veranstalteten. Es musste also ein kleinerer Eimer her, bei dem unsere Faulheit keine Chance hat, den Müll länger als zwei Tage nicht rauszubringen.
Kaffeebecher standen auf der Liste, weil sich meine wiederverwendbaren To-Go-Becher nach zweieinhalb Jahren Berufspendeln mit der Bahn nicht mehr jener Dichtigkeit erfreuten, wie zu Beginn. Im Rucksack und auf diversen Büchern hatte der ausgelaufene Kaffee bereits deutliche Spuren hinterlassen. Einen neuen Rucksack hatte ich schon, jetzt mussten neue Becher her.
Und in Sachen Kochtopf wollte ich mich auf die Suche nach einem Ersatz für unsere kleinen Stieltöpfchen machen, die wir hauptsächlich für die Zubereitung unserer Frühstückseier am Wochenende verwenden. Einer stammte noch aus meiner Studienzeit, der andere gehörte zur Grundausstattung der ersten Wohnung meiner Frau. Die Kunststoffgriffe waren nicht mehr schwarz, die Glasdeckel nicht mehr durchsichtig, ihr wisst Bescheid.
Ich hatte also eine klare Vorstellung davon, was ich brauchte und war mir sicher, mit einem zufriedenstellenden Ergebnis nach Hause zurückzukehren. Vor Ort begab ich mich sogleich in die Abteilung mit den Mülleimern. Schnell wurde mir klar, dass ich hier nicht fündig werden würde. Vorrätig waren ausschließlich freistehende Mülleimer zum an die Wand oder in die Ecke stellen. Äußerst dekorativ, für meine Zwecke aber völlig ungeeignet.
Ich wollte mich gerade aus der Abteilung entfernen, als ich die Worte „Kann ich helfen?“ vernahm und jemand auf mich zukam, den ich im ersten Moment für einen Verkäufer hielt. Nun musste ich allerdings feststellen, dass mein Stammmöbelhaus seine Verkäufer offenbar durch geschulte Life-Coaches ersetzt hatte. Als ich ihm mein Problem schilderte (großer Mülleimereinsatz unter der Spüle soll durch einen kleineren ersetzt werden), blätterte der Kollege zunächst ziellos durch einen Katalog.
„Haben Sie den Hersteller für mich?“, fragte er.
Den konnte ich nicht nennen, da er auf dem Mülltrennungssystem nicht vermerkt war.
„Ich kann Ihnen anbieten, dass wir einmal durch die Abteilung mit den Plastikschalen gehen. Vielleicht finden wir dort etwas passendes.“
„Nun ja“, antwortete ich, „auf so eine Behelfslösung habe ich eigentlich…“
„Also ich mache das ja immer so“, fuhr er dazwischen, „Im Eimer für den Biomüll habe ich eine ganz normale Plastiktüte. Die schütte ich dann einfach so in der Mülltonne aus und die Plastiktüte wandert daneben in den gelben Sack. So haben sie mit dem Eimer gar nichts mehr zu tun.“
„Wie gesagt, ich hätte da doch gerne eine passende Lösung vom Hersteller.“
„Dann würde ich Ihnen empfehlen, mal im Internet zu schauen.“
Ich bedankte mich und spazierte in die nächste Abteilung, in der ich mich auf die Suche nach neuen Eierkochtöpfen machte.
Es gab genug Töpfe in der passenden Größe, allerdings waren alle ohne Deckel. Das gefiel mir gar nicht.
„Jetzt müssen wohl auch noch neue Töpfe zum Einsatz kommen, wie?“, hörte ich die bekannte Stimme von eben sagen. Offenbar hatte ich es hier mit einem Life-Coach zu tun, der sich sowohl auf Mülleimer, als auch auf Kochtöpfe spezialisiert hatte. Was für eine Fachkraft!
„Ja richtig“, erwiderte ich und hielt einen kleinen Topf mit Stielgriff hoch. „Die Größe ist perfekt, aber gibt es den auch mit Deckel?“
„Nein, leider nicht. Damit haben wir ganz schlechte Erfahrungen gemacht.“
Schlechte Erfahrungen? Mit einem Deckel?
„Aber mit Deckel kocht doch das Wasser viel schneller“, bemerkte ich.
„Das stimmt, aber in solchen Töpfen macht man ja eigentlich nur Saucen.“
„Wir machen da immer Eier…“
„Ach so, dann nehmen Sie doch diesen hier“, sagte er und zeigte mir einen Topf mit zwei Henkeln rechts und links.
„Den anderen kann man aber so schön mit nur einer Hand…“
„Das geht mit dem doch auch. Schauen Sie mal!“ Der Life-Coach führte mir vor, wie man den zweihenkeligen Topf mit einer Hand ausschütten konnte und lächelte mich an. Ich war nicht überzeugt. Ich war eher erschüttert. Da wollte mir dieser Kerl doch allen Ernstes erzählen, wie ich in Zukunft meine Eier zu kochen hatte? Also bitte! Beim Müll lasse ich ja noch mit mir reden. Da bin ich noch nicht so gefestigt. Aber bei den Eiern? Das sind doch Glaubensfragen!
„Wie kochen Sie denn Ihre Eier?“, fragte ich.
„Ich bin Veganer.“
„Oh…“
Das führte zu nichts. In Gedanken bemühte ich auch hier wieder das Internet.
Wenigstens bei den Kaffeebechern wurde ich nicht enttäuscht. Das Modell, das ich die vergangenen zweieinhalb Jahre verwendet hatte, war noch vorrätig. Ich schnappte mir zwei Exemplare, bezahlte und fuhr nach Hause.
An unserer Biomüllsituation hat sich bislang nichts geändert. Durch den Einsatz einer fleischfressenden Pflanze konnte zumindest die Fruchtfliegenpopulation eingedämmt werden.
Für unsere Eier benutzen wir immer noch die alten Töpfe. So schlecht sind die ja noch gar nicht. Und in alten Töpfen lernt man ja bekanntlich Kochen. Oder wie geht dieses Sprichwort nochmal?
Ich versuche mich mal als Life-Coach: man kann Glasdeckel für Töpfe auch einzeln kaufen. Und da Topf- und Pfannendurchmesser ziemlich standardisiert sind, sollte sich ein zum perfekten Topf passender finden lassen.
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Guter Einwand! Darauf muss ich meine örtlichen Coaches mal ansprechen.
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