Es ist nicht alles Schrott was glänzt

Der Kontakt mit Schrotthändlern hat rapide zugenommen, seitdem wir vor fast acht Jahren ins eigene Haus gezogen sind. Immer wieder fahren hier Schrottsuchende durch die Nachbarschaft, entweder mit Anhängergespannen oder in kleinen Lkws, halten Spielzeugmegafone aus dem Ein-Euro-Laden aus dem Fenster und machen auf sich aufmerksam. „Alteisen, altes Metall, alte Öfen, Fahrräder“, rufen sie und hoffen auf Beute, die sie beim nächsten Wertstoffhof zu Geld machen können.

Ich bin meistens zu spät dran, um ihnen etwas mitzugeben. Eigentlich müsste ich sofort aufspringen, wenn ich auch nur den kleinsten Mucks von der Straße zu vernehmen meine, müsste nach unten hasten, Schuhe und Jacke überstreifen und mit ausgebreiteten Armen auf die Straße springen, damit der Rufende mich auch registriert. Doch im ersten Moment bin ich mir nicht sicher, tatsächlich etwas gehört zu haben. Ich gehe ans Fenster, um mich zu vergewissern. Und wenn ich dann einen Schrotthändler sehe, ist es meistens schon zu spät. Bis ich unten bin, ist er schon weitergefahren, da hilft auch rufen und winken nichts.

Nur ein einziges Mal bin ich erfolgreich gewesen. Ich habe mich extra beeilt, denn ich wollte die metallenen Überreste des abgebauten Wintergartens loswerden. Die beiden Herren haben sich wirklich gefreut, sind später mit einem größeren Lieferwagen wiedergekommen und haben alles eingeladen. Ich glaube, einer hat heimlich in den Garten gepinkelt, aber na ja…

Nun entwickelt sich die Branche offenbar weiter. Das ziellose Umherfahren auf gut Glück scheint nicht den erwarteten Erfolg zu bringen. Und so verzichten manche auf spontane Megafonattacken und werfen einem stattdessen lieber einen Zettel mit Abholdatum und weiteren Einzelheiten in den Briefkasten. Finde ich gar nicht so schlecht. Neben dem genauen Datum steht dort nämlich auch in einer lange Liste drauf, was alles an die Straße gestellt werden kann und was nicht. Und außer Fernsehgeräten und Kühlschränken nehmen die Schrotthändler von heute offenbar alles mit, wo auch nur ein Fitzelchen Metall dran zu finden ist.

Da ich gerade den Keller ausgemistet hatte, habe ich eine große Kiste mit alten Elektrogeräten, Telefonen, Receivern und den dazugehörigen Kabeln rausgestellt. Als Eyecatcher kam noch ein wackeliges Metallregal dazu. Und was soll ich sagen: Nach kurzer Zeit war alles weg. Gern geschehen.

Beim Blick aus dem Fenster beobachtete ich kurz darauf den Schrotthändler vor seinem Anhängergespann, wie er das Schrottangebot meines Nachbarn in Augenschein nahm. Das Metallgestell wurde für gut befunden und landete im Anhänger. Doch was machte er nun? Er wird doch nicht… Entschlossen griff sich der Mann das nächste Objekt am Straßenrand: Einen E-Roller, und zwar einen dieser bunten, öffentlichen, die an jeder Ecke von Jedermann ausgeliehen werden konnten. Das ist doch kein Schrott!, dachte ich und war kurz davor, das Fenster zu öffnen und eben diesen Gedanken laut auszurufen.

Der Mann hatte seinen Irrtum noch nicht bemerkt. Er betrachtete den E-Roller von allen Seiten, testete die Bremsen, klappte den Standfuß um und wollte das Gefährt zum Anhänger schieben. Doch das Teil wehrte sich und leistete dem Schiebenden in Form einer Wegfahrsperre Widerstand. Wieder skeptische Blicke. Dann ein Kopfschütteln und der Weg zurück ins Auto. Ohne Roller.

Ein Glück, dachte ich. Den Roller brauchte ich doch gleich noch, um zur Werkstatt zu fahren und mein Auto wieder abzuholen.

(Foto: Jonas Jacobsson/Unsplash)

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