Nichts los bei der Bahn. Obwohl… (3:45)

Ach, die Bahn. Die lässt sich ständig etwas Neues einfallen, um ihre Kunden bei Laune und hohem Blutdruck zu halten. Der Konzern muss vor kurzem so etwas wie eine Mystery-Abteilung gegründet haben, die jetzt ihren ersten großen Einsatz geprobt hat.

Das Abenteuer begann am frühen Morgen mit folgender Warnmeldung im Online-Fahrplan:

„Wegen ungewohnt hohem Reisendenaufkommen kann eine Mitnahme nicht garantiert werden. Bitte wählen Sie eine andere Verbindung.“

Eine andere Verbindung kam für mich nicht in Frage, sonst wäre ich zu spät zur Arbeit gekommen. Also entschloss ich mich, das Abenteuer zu wagen und stellte mich innerlich bereits auf dichtes Gedränge und einen hohen Lärmpegel ein.

Wer war denn da so umfangreich unterwegs? Es konnten eigentlich nur sieben Schulklassen auf einmal sein, die einen Ausflug von Hannover nach Hamburg machten. Mit Hafenrundfahrt, Miniaturwunderland und Musical. Rentner und Landfrauen machten so etwas zwar auch ziemlich gerne, allerdings nicht in solch großen Gruppen, die die Kapazität von Eisenbahnwaggons an die Grenzen brachte. Ich rechnete damit, meinen Arbeitsweg mal wieder auf dem Boden sitzend verbringen zu müssen.

Kurze Zeit später entnahm ich der Anzeigentafel in der Bahnhofshalle konkretere Hinweise auf die Zustände im Zug. Hinter der Verbindung lief folgendes Band durch:

„Heute ohne Wagen 7, 8 und 9. Fahrgäste nutzen bitte die Wagen 6 und 10.“

Ach du lieber Grube! Zwei Waggons wo sonst fünf sind? Wie soll das denn funktionieren? Wo sollen die vielen Leute denn hin? Der Zug würde brechend voll sein, auch ohne die sieben Schulklassen. Wenn ich Glück hätte, bekäme ich vielleicht noch einen Stehplatz im Vorraum. Vielleicht müsste ich mich aber auch quer auf die Kofferablage über die Sitze legen. Würde ich schon hinkriegen.

Ein paar Minuten blieben mir noch, also ging ich zurück in die Bahnhofshalle und deckte mich im Shop mit dem Nötigsten für diesen Abenteuertrip ein. Ich stockte meine Wasservorräte auf, schnappte mir ein paar Proteinriegel und den neuen Fitzek zum Zeitvertreib. Meine Jacke polsterte ich mit den zusammengeknüllten Seiten der Tageszeitung aus, um im Gedränge vor blauen Flecken und Schürfwunden geschützt zu sein. Glücklicherweise hatte ich meinen Handy-Akku frisch aufgeladen, sodass ich im Notfall Lebenszeichen an die Außenwelt schicken konnte. Schließlich suchte ich mir eine ruhige Ecke und machte ein paar Dehnübungen, um mich aufzuwärmen.

Als ich zum Bahnsteig zurückkehrte, fuhr der Intercity gerade ein. Ich erkannte, dass er wie gewohnt aus fünf Waggons bestand. Wahrscheinlich wurden Nummer 7, 8 und 9 zur Werkstatt geschleppt, waren aber verschlossen, dachte ich. Allerdings saßen in allen Wagen Menschen. Und auch die Türen an allen Waggons öffneten sich.

Ich stieg wie gewohnt in den Zug und konnte mir sogar einen freien Platz in einem nur mäßig besetzten Großraumabteil aussuchen. Von gesperrten Sitzen oder den angekündigten Menschenmassen war weit und breit nichts zu sehen.

Während ich unter meinem Zeitungspapier langsam zu schwitzen anfing, ertönte von irgendwo her die Titelmelodie von Akte X…

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