Am 20. Januar 2022 habe ich 110,5 Kilo gewogen. So viel wie noch nie zuvor. Am 13. Mai 2022 war ich dann runter auf 101,1 Kilo. Und am 26. August 2022 stand ich wieder bei 109,2 Kilo. Ich weiß das alles so genau, weil ich es mir aufgeschrieben habe. Ich führe ein Gewichtstagebuch. Seit einigen Jahren mache ich das schon so, um meine Gewichtsentwicklung im Blick zu haben. Denn ein gesundes Gewicht zu halten, fiel mir immer schon schwer.
Die Entwicklung in diesem Jahr hat klare Gründe. Faulheit und Stress führten dazu, dass ich zu Jahresbeginn so viel Gewicht auf die Waage brachte, wie nie zuvor. Doch ich hatte ein klares Ziel vor Augen: Marathon laufen. Also zwang ich mich ein paar Monate lang zur Disziplin, machte mindestens zweimal pro Woche Sport und verzichtete auf ungesundes Essen. Und so hatte ich kurz vor meinem ersten Marathon im Mai 2022 mehr als neun Kilo abgenommen.
Nach diesem hochemotionalen Ereignis wollte ich eigentlich nur zwei bis drei Wochen Pause machen und anschließend weiter sportlich durchs Jahr gehen. Doch es folgte erst eine Erkältung, die sich während meiner Laufvorbereitung wahrscheinlich brav zurück gehalten hatte, und anschließend durfte auch ich den großen Spaß unserer Zeit namens Corona erleben, der mich wieder mehrere Wochen lahmlegte. Frust, Stress, Untätigkeit und Urlaub führten schließlich zur erneuten Gewichtszunahme im Sommer.
Solch ein Auf und Ab auf der Waage hatte ich bisher noch nie erlebt. Ich erinnere mich an 2001, als ich zum ersten Mal in meinem Leben 100 Kilo wog. Damals probierte ich Trennkost aus und trieb wieder viel Sport und schaffte es innerhalb eines halben Jahres, zwölf Kilo abzunehmen. Trennkost habe ich danach immer mal wieder in meinen Ernährungsplan integriert und kombiniert mit Sport führte das oft zum gewünschten Ergebnis.
Doch in diesem Jahr schlug der berühmte Jo-Jo-Effekt erbarmungslos zu. Gesund war das bestimmt nicht.
Einen Schubs in die richtige Richtung bekam ich kürzlich während meiner zweiten Reha. Die Küche der Klinik war schlichtweg herausragend. Bei der Aufnahme entschied ich mich für das Verpflegungsprogramm mit Namen „Balance“, das maximal zweimal pro Woche Fleisch beinhaltete. Die Speisen waren gesund, lecker und frisch zubereitet und die Portionen vergleichsweise übersichtlich gestaltet. Wo ich mir zu Hause einen stattlichen Berg Pasta genehmigt hätte, bekam ich in der Klinik eine viel kleinere, aber natürlich absolut ausreichende Menge serviert. Wenn es Fleisch oder Fisch gab, dann nur ein kleines Stück mit etwas Gemüse und Kartoffeln. Ansonsten musste ich mit allerlei vegetarischen Varianten klarkommen. Und das kam ich.
Eine weitere Besonderheit während der Reha waren die Essenszeiten. Das Abendessen musste ich corona- und hygienebedingt bereits um 17 Uhr zu mir nehmen. Das war ich nicht gewohnt und so knurrte mir am späteren Abend regelmäßig der Magen. Zu Anfang hielt ich mich noch mit meinem Süßigkeitenvorrat über Wasser. Doch nach ein paar Tagen ergriff mich auch hier der Ehrgeiz und ich versuchte, mich zurückzuhalten und mit dem auszukommen, was ich hier bekam.
Ohne Snack am Abend ging es nicht. Doch dieser Snack bestand irgendwann nur noch aus einem Apfel und zwei Keksen. Nicht mehr und nicht weniger. Zwei Kekse. Diese zu verspeisen, zelebrierte ich regelrecht während der Tagesschau um 20 Uhr. Ich biss von jedem Keks dreimal ab und kaute bewusst lange, bevor ich ihn herunterschluckte. Anschließend folgte der Apfel als Nachtisch und das wars. Meine Gewichtskurve ging weiter nach unten, obwohl ich auf Süßigkeiten nicht komplett verzichtete.
Natürlich machte ich auch viel Sport. Manchmal zweimal am Tag. Laufen, wandern, Fahrradergometer, Wassergymnastik. Nach ein paar Tagen hatte ich eine sehr schöne Laufstrecke gefunden, auf der ich in den drei Wochen gut 54 Kilometer abriss. Und dieses Programm gab mir Recht: Nach drei Wochen Reha hatte ich gut drei Kilo abgenommen.
Meine Zwei-Kekse-Politik habe ich auch nach der Reha weitergeführt. Während der Tagesschau. Und anschließend der Apfel. Ok, manchmal sind es auch drei Kekse. Oder mal ein Eis. Oder etwas Schokolade. Aber die Reha wirkt im Hinterkopf immer noch nach. Wahrscheinlich, weil im Entlassungsbericht der Begriff „adipös“ steht. Und so sind auch meine übrigen Mahlzeiten am Tag kleiner geworden, so ähnlich wie im Speisesaal der Klinik. Das Wort „Reha-Portion“ fällt bei mir öfter. Mein „Mindset“ hat sich geändert, wie man so schön sagt.
Und so habe ich es geschafft, mein Gewicht in den vergangenen zwei Monaten auf einem gleichbleibenden Level zu halten und sogar noch zu verringern. Und das ohne viel Sport, denn kleinere Infekte bringen mich hierbei auch weiterhin immer wieder raus. Aktuell bin ich wieder bei um die 101 Kilo. Und für kommendes Jahr bin ich weiter optimistisch. Vor allem, wenn ich bald wieder in den Sport einsteigen kann. Schließlich laufen sich die Marathons für 2023 nicht von selbst. Und von meinem Vor-Krebs-Gewicht von 98 Kilo bin ich auch gar nicht mehr so weit entfernt.