Sich erst mit Aprés-Sun einzureiben und anschließend Oropax einzuführen, ist riskant. Die Glitsche an den Fingern überträgt sich nämlich auf die Oropaxe, wodurch sich diese tiefer ins Ohr schieben lassen, als sie sollen. In der Regel macht sich das am nächsten Morgen bemerkbar, wenn die Dinger so tief im Gehörgang festsitzen, dass sie nur noch mit einer Pinzette oder langen Fingernägeln wieder herauszubekommen sind. Im ersten Moment liegt man hilflos da. Blind und taub. Im Zimmer ist es noch dunkel und die Ohren sind dicht. Eine traumatische Erfahrung. Auch diesmal. Aber Oropax mussten in diesem Hotel leider sein. Aprés Sun auch.
Der Urlaub und das dazugehörige Hotel waren eigentlich echt schön. Ich kann ohne Übertreibung behaupten, dass ich in meinem Leben noch nie ein so gutes Hotelessen genossen habe. Beim Abendessen bestanden der erste Gang stets aus drei bis vier Sorten Fleisch, der zweite Gang aus drei bis vier Sorten Fisch und der dritte Gang aus drei bis vier verschiedenen Desserts. Falls noch Platz war, kam auch mal das eine oder andere Obst oder Gemüse mit. Echt top!
Auch das Zimmer war ok. „Best price“ heißt zwar klein, aber nicht weniger schick. Und wer den ganzen Tag draußen verbringt, der benötigt kein großes Zimmer.
Beim Strand musste ich leider den ersten Minuspunkt vergeben. Optisch der absolute Hammer, keine Frage. Kilometerlang, mehrere hundert Meter breit und bis ich bis zur Hüfte im lauwarmen Meer stand, musste ich richtig weit gehen. Eine echte Badewanne. Allerdings mit zu viel Sand. Natürlich gehört zu einem Strand auch Sand, doch sollte der meiner Meinung nach lieber am Boden bleiben.
Am ersten Tag wunderte ich mich, warum so viele Besucher gegen 14 Uhr fluchtartig den Strand verließen. Im ersten Moment dachte ich, das verlockende Mittagessen im Hotel wäre der Grund. Doch dann spürte ich es: Es hatte merklich aufgefrischt. Eine gewisse Brise war die ganze Zeit schon da gewesen, Atlantik eben, doch jeden Nachmittag sollte sich diese Brise in einen regelrechten Sturm verwandeln. Sonnenschirme und Handtücher flogen durch die Luft und die Seiten meines Buches konnte ich kaum noch mit zwei Händen auseinanderhalten. Da half es auch nicht, wenn ich mich mit der Sonnenliege gegen den Wind setzte, sodass die Rückenlehne einen Windschutz bildete.
Irgendwann wurde es richtig ungemütlich. Die weiter in der Ferne liegenden Aufbauten, eine Massagehütte und eine aufblasbare Riesenrutsche, waren nur noch durch einen Schleier zu erkennen, während einem der Wind mit Sand die Knöchel umschmirgelte. Die Menschen flüchteten vor dem Sandsturm. Also taten wir es ihnen gleich.
Die Außenanlage unseres Hotels war leider keine zufriedenstellende Alternative. Schutz vor Wind und Sand gab es zwar, allerdings nicht vor Lärm. Gemessen an der Größe des Hotels war der Außenbereich ziemlich überschaubar. Zwischen Gebäude und Hinterausgang Richtung Strand verteilten sich auf einem schmalen Streifen mehrere Pools und zahlreiche Sonnenliegen. Immerhin: Es gab so viele Liegen, dass eigentlich immer genug frei waren. Im Morgengrauen Handtücher zu verteilen, war nicht notwendig.
Als erstes versuchten wir es am Hauptpool. Dort standen allerdings riesige Lautsprecher, die die Hotelgäste den ganzen Tag über beschallten. Ich hatte noch gut 950 Seiten Stephen King vor mir und wollte meine Ruhe haben, also zogen wir weiter. In der rechten Ecke wurden wir zunächst fündig. Hier war es etwas ruhiger, allerdings nur solange, bis sich die Bewohner des Apartmenthauses auf dem Nachbargrundstück zu einer Poolparty trafen. Außerdem hatte sich neben uns eine spanische Dreiergruppe (ein Pärchen plus eine externe Schwangere, sehr mysteriös) breit gemacht, in der sich die beiden Damen lautstark unterhielten, obwohl die eine bereits ihre Zeitschrift im Anschlag hatte. Gleich würden sie die Klappe halten und anfangen, zu lesen, dachte ich. Gleich… Na, gleich bestimmt… Aber Pustekuchen. Die Zeitschrift blieb geschlossen, die Sprechorgane der beiden Damen leider offen.
Wir versuchten es auf der anderen Seite der Außenanlage. Der erste Eindruck war auch hier positiv, es war windstill und ruhig. Leider stand in dieser Ecke der Kinderspielplatz, den im Laufe des Nachmittags immer mehr Kinder für sich entdeckten.
Meine Frau bemerkte ganz richtig: Es gibt solche Kinder und es gibt solche. Und solche Kinder sind in jeder Sprache gleich. Irgendwann brabbelte ein spanischer Nachwüchsling auf der Schaukel lauthals vor sich hin und schrie dann immer so Sachen wie: „Papi, Papi! Esperanza Gonzales de los Muertes Aljamente a qui?“ Oder so ähnlich. Auf Dauer war das meinem Stephen-King-Konsum nicht zuträglich. Als dann nebenan in der Kinderbetreuung der kleine Carlos („Carlos, Carlos! Es Muertes uno dos tres Esperanza a qui?“) anfing, herzzerreißend zu schluchzen und gemeinsam mit einer Handvoll weiterer Kinder einen vom Betreuungspersonal untröstbaren Chor bildete, war ich drauf und dran, meinen Standort erneut zu wechseln. Doch nur etwas weiter um die Ecke nahm wieder der Wind zu und trug die Poolanimation zu uns herüber. So hielt ich es noch etwas zwischen „Papi, Papi!“ und „Carlos, Carlos!“ aus, bis alle irgendwann verschwanden, um sich für das große Fressen am Abend aufzuhübschen.
Zwischendurch hatte ich sogar überlegt, meine Sonnenliege bis ganz in die äußere Ecke der Hotelanlage zu tragen. Ganz hinten auf den Rasen, zwischen Tennisplatz und Abwasseraufbereitungsanlage. Doch ein kleiner Spaziergang dorthin reichte schon aus, um mich zu beruhigen, vor allem, weil mir dabei ein echtes, wildlebendes Chamäleon über den Weg lief. Echt wahr!
Trotz des regelmäßigen Wechsels zwischen Strand und Hotelterrasse in den darauffolgenden Tagen hinterließ die Sonne ihre Spuren auf meiner Haut, sodass der Einsatz von Aprés-Sun zu meiner allabendlichen Kosmetikroutine gehörte (ab sofort NICHT auf meinem Blog!). Oropax in der Nacht waren nötig, weil wir aus Belüftungsgründen immer das Fenster geöffnet ließen. Bei eingeschaltetem Klimagerät bzw. Deckenventilator konnten wir nicht schlafen. Und als ich herausbekommen hatte, dass das nächtliche Rauschen nicht von der Brandung, sondern vom Sturm herrührte, war es mit der Romantik dahin und ich musste auch dieses Geräusch aussperren.
Das mit dem Glitschfaktor habe ich nach nur einer traumatischen Aufwachphase schließlich hinbekommen. Man muss sich die Aprés-Sun hinterher einfach von den Fingern waschen. Dem Strand haben wir noch mehrere Chancen gegeben und uns schließlich mit ihm arrangiert. Trotz „Carlos, Carlos!“ habe ich von dem 1000seitigen Stephen King fast 750 Seiten geschafft. Und durch den regelmäßigen Aprés-Sun-Einsatz sowie die überaus vorzügliche All-Inclusive-Verpflegung habe ich eine recht ordentliche Urlaubsbräune, einen prall gefüllten Körperbau und somit reichlich innere und äußere Erholung mit nach Hause genommen.
Alles in allem war dieser Urlaub also ein voller Erfolg. Für das nächste Mal hätte ich dann aber doch lieber ein etwas kleineres Hotel mit einer etwas größeren Außenanlage und einem angenehmeren Strand. Am besten sollte das Hotel aus nur einem einzigen Zimmer bestehen und die dazugehörige Außenanlage sollte direkt der Strand sein. Eine kleine Hütte direkt am Meer. Ohne Animation. Aber gerne mit Chamäleon. Das wäre es doch.
[…] Urlaub. Herrlich. Ein bisschen Glück muss man in Deutschland haben, damit der Sommer auch Anfang August […]
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[…] Allerdings müssen diese nicht unbedingt eine Bahnfahrt beinhalten. In ein paar Wochen habe ich Urlaub und könnte mir einen spontanen Flug in die Sonne vorstellen. Mit Strand. Sag einfach Bescheid, […]
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