Auf arbeitslos geht’s los – Horrorfilme zum Frühstück (5:30)

Nach vielen Jahren im warmen Schoß einer Firma, die es mir ermöglichte, mir Brot und Hosen zu kaufen, ereilte auch mich das Schicksal, das Millionen anderer Menschen vor mir bereits irgendwann einmal ereilt hatte: Ich wurde arbeitslos. Und irgendwie war das zunächst gar nicht so schlimm. Der Staat kümmert sich schließlich um seine Schäfchen, die jahrelang in die Sozialkassen eingezahlt haben. Es ist nur gerecht, wenn man sich irgendwann einmal selbst daraus bedient. Übergangsweise, versteht sich.

Statt Kollegen und Chefs hatte ich auf einmal einen Arbeitsvermittler, anstatt an Konferenzen musste ich nun regelmäßig an Beratungsterminen teilnehmen und wo ich mich vorher größtenteils um Kalkulationen und Urlaubsanträge gekümmert hatte, konzentrierte ich mich nun auf Stellenausschreibungen und Bewerbungsmappen.

Und anstatt um sechs Uhr morgens genervt den Wecker durchs Schlafzimmer zu schleudern, konnte ich mir für meinen Start in den Tag jetzt auch mal bis neun oder zehn Uhr Zeit lassen. Es war ein bisschen so wie Urlaub. Am Anfang jedenfalls.

Auch wenn mein Tag jetzt später begann, versuchte ich ziemlich schnell, mir eine gewisse Struktur zurechtzulegen. Meistens stand ich gegen halb zehn auf, machte mir Frühstück und setzte mich aufs Sofa vor den Fernseher. Horrorfilme wirken ganz anders, wenn man sie sich vormittags und mit einem Marmeladenbrötchen in der Hand anschaut. Das wurde zu einer kleinen Tradition. Am Wochenende programmierte ich meinen digitalen Rekorder, damit ich die Woche über genug Unterhaltungsstoff für mein Frühstück hatte.

Ich versank in dieser Zeit jedoch nicht in Faulheit, sondern machte nach meinem Thriller-Frühstück stets mit sinnvollen Tätigkeiten weiter. Sport zum Beispiel. Oder ich räumte die Spülmaschine ein, wusch Wäsche, hängte Wäsche auf, nahm Wäsche ab, brachte den Müll runter, ging Einkaufen, reparierte die Fahrräder, brachte die Autos in die Waschanlage, empfing den Heizungsmonteur und den Schornsteinfeger oder kümmerte mich um die Pflanzen im Haus. Ich habe sogar den einen oder anderen Knopf selbstständig angenäht. Oder ich brachte meinen Lebenslauf auf den neuesten Stand und schrieb Bewerbungen, klar.

Meine Frau lernte meine neue Häuslichkeit ebenfalls schnell zu schätzen. So war der Kühlschrank in dieser Zeit immer voll, die Wohnung wurde regelmäßig gesaugt und gelüftet, die Betten waren gemacht, und das wichtigste: Postpakete konnte ich immer sofort annehmen. Sie mussten nicht erst am nächsten Tag umständlich und nach der Arbeit mit einem Umweg verbunden kurz vor Ladenschluss in Hektik aus dem Depot abgeholt werden. Mindestens einmal pro Woche schloss meine Frau in dieser Zeit nach Feierabend ein neues Paar Schuhe und Unmengen anderer Klamotten in die Arme.

Glück, weil keinen Stress, hatte ich vor allem mit meinem Arbeitsvermittler, einem sympathischen jungen Kerl mit Seitenscheitel und modischer Brille, der mir allerdings die ganze Zeit über nichts vermitteln konnte.

„Bleiben sie ruhig und haben sie Geduld“, war der hilfreichste Ratschlag, den ich in dieser Zeit von ihm bekam.

Was machen Arbeitsvermittler eigentlich, wenn sie selbst arbeitslos werden? Ein Arzt kann sich ja selbst operieren, wenn er krank ist, aber ein Arbeitsvermittler? Geht der dann einfach ein Büro weiter, setzt sich auf die andere Seite des Schreibtisches und sagt: „So, Jürgen. Du erzählst in der Mittagspause immer, was für ein geiler Macker du hier bist, jetzt zeig mal, was du drauf hast. Besorg‘ mir Arbeit!“

Und bekommen die dann Rabatt beim Arbeitslosengeld? Also mehr? Oder länger? Durch irgendwelche Mauscheleien? Diese Fragen hat mir leider keiner beantworten können. Ich habe sie auch niemals laut gestellt.

Doch irgendwann ging auch diese Zeit wieder vorbei. Ich bekam einen neuen Job. Allerdings nicht durch meinen Arbeitsvermittler, sondern durch eigene Recherche. Voller Freude füllte ich das Formular aus, mit dem ich der Arbeitsagentur mitteilte, dass ich unsere Beziehung nun leider beenden muss. Entsprechend kühl war die Reaktion. „Wir haben ihren Wiedereintritt in ein Beschäftigungsverhältnis registriert“, stand in dem Antwortschreiben. Punkt. Keine Beglückwünschung, kein „Wir können ja Freunde bleiben“, nichts!

Ich arbeite jetzt also wieder. An meinem ersten Arbeitstag öffnete ich morgens meinen Kleiderschrank und entdeckte Hosen, die ich die vergangenen fünf Monate nicht einmal getragen hatte.

Um den Haushalt kann ich mich jetzt natürlich nicht mehr so ausführlich kümmern. Die Blumen gieße ich nun am Wochenende und meine Frau hat von mir eine ausführliche Einweisung in die Spülmaschine bekommen. Auch, wie man Pakete von der Post abholt, weiß sie jetzt und was den Tratsch in der Nachbarschaft angeht, habe ich sie auf den neuesten Stand gebracht.

Für kommendes Wochenende habe ich unseren Paketboten, die Pizzalieferanten und eine Abordnung der Zeugen Jehovas eingeladen. Mit einem Spieleabend möchte ich mich dann für die schöne Zeit und die intensiven Gespräche im Hausflur bedanken.

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