Meine schönsten Autogeschichten: Abrisswochenende bei der Kieler Woche

Letztens habe ich etwas gemacht, das ich in den vergangenen 24 Jahren erst zum dritten Mal gemacht habe: Ich habe mir ein neues Auto gekauft. Meinen alten Gebrauchten ließ ich nach elf zuverlässigen Jahren vor dem Autohaus stehen und fuhr dann mit dem neuen vom Hof. Das Schwelgen in alten Erinnerungen an meine bisherigen Autos kam dabei von ganz allein. Vor allem mit meinem allerersten Auto, dem Vorgänger des soeben ausgemusterten Wagens, habe ich viel erlebt. Zum Beispiel bin ich mit dem mal für ein Abrisswochenende zur Kieler Woche gefahren. Wollt ihr mehr hören? Na ok…

Es war der erste Sommer nach der Jahrtausendwende. Ich hatte noch eine Woche bei der Bundeswehr abzuleisten und anschließend einen ganzen Monat Zeit, bis mein Praktikum bei der Zeitung begann. Um die drohende Langeweile abzuwenden, die einem mit Anfang 20 stets im Nacken sitzt, stopfte ich drei meiner Freunde in meinen dreitürigen Golf und fuhr nach Kiel zur Kieler Woche. Einen meiner Kumpels holte ich Freitagnachmittag direkt von der Schule ab, einen anderen überredeten wir am Handy mitzukommen, während wir auf dem Weg zu ihm waren.

Freitagnachmittags nach Kiel zu fahren ist eine dämliche Idee. Bis Hamburg verbrachten wir mehr Zeit im Stau als mit fahren. Wir waren alle in Partylaune und bei meinen Mitfahrern stieg der Bierkonsum. Ich blieb nüchtern und lenkte das Schiff zielstrebig gen Norden. Doch ich wollte bei den vielen Staus nicht noch zusätzlich Zeit verlieren und schränkte die von der Rückbank regelmäßig geforderten Pinkelpausen stark ein. Das stieß zwar auf Protest, ging aber gut. Auf der A 215 nach Kiel hatten wir dann freie Fahrt und kamen am frühen Abend endlich an.

Der Eiermann macht Stress

Eigentlich wollten wir in Kiel bei einem flüchtigen Bekannten unterkommen, doch der ging plötzlich nicht mehr ans Telefon, um uns seine Adresse durchzugeben. So mussten wir die erste Nacht im Auto schlafen. Ich hatte meinen Golf auf einem riesigen Parkplatz abgestellt und fühlte mich sicher. Am nächsten Morgen klopfte es dann an die Scheibe und jemand sagte: „Können Sie bitte wegfahren? Ich möchte meinen Eierstand aufbauen!“ Alle Autos, die gestern noch neben mir geparkt hatten, waren plötzlich weg und stattdessen standen überall Marktstände. Ich hatte offenbar auf dem Marktplatz geparkt und die eingeschränkte Parkmöglichkeit übersehen. Ich machte dem Eiermann Platz und fand schnell einen sicheren Parkplatz an der Hauptstraße.

Auf der Suche nach Party bewegten wir uns recht ziellos durch die Stadt. Kurz nach der Ankunft hatte uns der erste Weg in den Supermarkt geführt. Zwei Paletten Dosenbier wurden auf vier Rucksäcke verteilt. Im Hafen von Kiel huldigten wir der Alexander von Humboldt, dem Becks-Schiff mit den grünen Segeln und besuchten nebenan einen Umtrunk auf einem Schiff, bei dem wir erst später merkten, dass dieser gar nicht öffentlich war. Bei Karstadt setzten wir uns in der Campingabteilung in ein Zelt und ruhten uns aus. Auf der Suche nach einer Steckdose zum Handy aufladen landeten wir in einem Kreuzfahrtterminal und lungerten dort eine Stunde herum. In der Innenstadt entkamen wir dann nur knapp einer Schlägerei. Gegessen haben wir wahrscheinlich nur Döner.

Zähneputzen mit Alsterwasser

Die zweite Nacht verbrachten wir wieder zu viert in meinem Golf. Einer von uns hatte zwar eine Hängematte dabei und hängte sich tatsächlich zwischen zwei Bäume, doch nach einem Regenguss mitten in der Nacht flüchtete er zu uns. Am nächsten Morgen standen wir alle ziemlich zerknittert am Straßenrand. Wir putzten uns die Zähne und spülten mit Alsterwasser nach. Eine ältere Dame spazierte vorbei und fragte, ob wir tatsächlich alle im Auto übernachtet hätten. Nachdem wir das bestätigten, bot sie uns an, mit zu ihr zu kommen und zu duschen. Wir fanden das merkwürdig und lehnten dankend ab.

Die Rückfahrt verlief schweigend. Die meisten schliefen. Im Kofferraum lagen ein Korbstuhl und ein Verkehrsschild. Keine Ahnung, wo die herkamen. Zurück in unserer Stadt brachte ich alle nach Hause und machte mich dann bald wieder auf den Weg in die Kaserne. Die nächsten Abenteuer warteten schon.

230.000 Kilometer in 13 Jahren

Mit meinem ersten Auto bin ich in 13 Jahren rund 230.000 Kilometer gefahren. Bundeswehr in Thüringen, Studium in Hamburg, Ausbildung in Kiel, Arbeiten in Lübeck. Dazwischen Urlaub, Partys und Besuche von Dänemark bis nach Konstanz und von der Bretagne bis nach Polen. Fehmarn, München, Ruhrgebiet. Ich stand mit meinem Golf am Fuße der Zugspitze, parkte vor der Hauptbühne des Hurricane-Festivals und fuhr mit ihm durch Paris.

Mit meinem zweiten Auto brachte ich es in elf Jahren immerhin auf 80.000 Kilometer. Zur Arbeit hatte ich es jetzt entweder nicht mehr weit oder ich fuhr viel Bahn. Mit Corona kam dann das Homeoffice und das Auto wurde hauptsächlich nur noch zum Brötchen holen in der Mittagspause genutzt. Trotzdem hat dieser Wagen viel von der Welt gesehen, beispielsweise Luxemburg und Tschechien. Er hat mich zuverlässig zu meinen zahlreichen Arzt- und Operationsterminen während meiner Krebserkrankung nach Hannover, Hamburg und vor allem Rostock gefahren. Und mit ihm habe ich meine kleine Tochter nach ihrer Geburt aus dem Krankenhaus nach Hause gefahren.

Ich bin gespannt, was ich mit dem neuen Wagen alles erleben werde…

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