Es ist schon erstaunlich, was ich mit meiner Aufklärungsarbeit rund um den Krebs mitunter für Reaktionen bekomme. Vor ein paar Tagen ist ein Artikel über mich in der Celleschen Zeitung mit dem Titel „Psychologische Nachsorge für alle“ erschienen, in dem ich über meine Erfahrungen mit der psychologischen Nachsorge nach meiner Krebserkrankung berichtete. Ich äußerte darin meine Forderung nach einer Verbesserung auf diesem Gebiet und erläuterte meine Vision von einer psychologischen Vorsorge, ähnlich dem jährlichen Besuch beim Zahnarzt. Das Feedback auf diesen Artikel reichte von herzerwärmend bis erschütternd.
Zustimmung aus der Community
Positives Feedback auf diesen Artikel kam überwiegend aus der Krebs-Community und aus meinem Umfeld. Betroffene Mitpatienten, Krebserfahrene und andere Krebsblogger sowie Mediziner und Politiker unterstützten und unterstrichen meine Äußerungen und lobten meinen Vorstoß, diese Missstände angesprochen zu haben. Auch das Regionalfernsehen hat Interesse an diesem Thema.
„Krebsberatungsstelle“ hat Auftrag verfehlt
Erschüttert und fassungslos zurückgelassen haben mich dagegen mehrere E-Mails einer sogenannten Krebsberatungsstelle. Darin wurde mir vorgeworfen, mehr Schaden angerichtet als Nutzen gebracht zu haben, denn eigentlich sei mit der psychologischen Unterstützung alles in Ordnung. Außerdem wurde ich wiederholt dazu aufgefordert, meine Arztkontakte offenzulegen. Dieses aggressive Verhalten einer Krebsberatungsstelle gegenüber eines Krebspatienten mit einem psychischen Anliegen (!) macht mich bis heute sprachlos und traurig. Bei diesem Thema wünsche ich mir eine wertschätzende und lösungsorientierte Kommunikation. Wir stehen doch auf der gleichen Seite.
Peniskrebs vor 30 Jahren
Glücklicherweise gibt es auch herzerwärmende Reaktionen. Wenige Tage nach Veröffentlichung des Artikels klingelte mein Festnetztelefon. Ein älterer Herr begrüßte mich mit den Worten „Ja, was kann ich denn für Sie tun?“. Es stellte sich heraus, dass der Senior selbst eine Peniskrebserkrankung hinter sich hatte. Das sei schon 30 Jahre her, als er um die 50 war, erzählte er. Wir plauderten ein paar Minuten miteinander und tauschten unsere Peniskrebs-Eckpunkte aus. In welchem Krankenhaus operiert? Wie viel wurde entfernt? Klappt das noch mit dem Verkehr? 30 Jahre sind in der Medizin eine Ewigkeit, deswegen sind unsere Erfahrungen wohl nicht vergleichbar. Doch der 80-Jährige machte auf mich einen erfreulich positiven und tief dankbaren Eindruck. Das stimmte mich optimistisch für meine eigene Zukunft.
Neutrino-Man hat den Durchblick
Und schließlich erreichte mich eine E-Mail, ohne die ich diesen Feedback-Beitrag wahrscheinlich gar nicht geschrieben hätte. Denn: ER hat mich wirklich kontaktiert. Der rüstige Wünschelruten-Rentner aus der Nachbarschaft. Die wahrscheinlich letzte Hoffnung der Menschheit. Der Mann mit dem Durchblick. Der einzig wahre Neutrino-Man.
Im Kern seiner bahnbrechenden Gedankenblitze ging es um die Auswirkungen unterirdischer Wasseradern, und zwar „von rechts nach links“. Hier sein Rat an mich:
„Stellen Sie bitte Ihr Bett um. Noch besser: Dübeln Sie in Ihrem Keller eine Plastik-Folie unter Ihre Decke. Dann können die Wasser-Moleküle nicht durch Ihren Körpfer fließen. […] Die Neutrinos des Universums drücken von oben mit 100 Prozent Druck auf unsere Köpfe. Von unten drücken sie nur mit 97 Prozent, weil der Erd-Durchmesser 97 Prozent in Erd-Wärme umwandelt. Die 97 Prozent von unten bewirken: Wasser-Moleküle werden durch unseren Körper gedrückt. Das bewirkt den Krebs.“
Ich war geplättet. Was für eine Erkenntnis. Plastikfolie an die Kellerdecke! Das wird doch sicherlich die Welt verändern. Warum weiß noch niemand etwas davon?!
An seiner Kompetenz ließ der Neutrino-Rentner keinen Zweifel. Er weiß wovon er redet, schließlich sei er nicht nur Neutrino-Forscher, sondern auch Rutengänger („Mein Ruten-Lehrgang für Sie ist gratis.“), offenbar gläubiger Christ („Meine Angst: In 50 Jahren gibt es in Deutschland mehr Muslime als Kirchen-Mitglieder.“), Gründer der ersten freien Internet-Uni weltweit („Vor Weihnachten hat mir die internationale Energie-Mafia ein Vorhänge-Schloß vor meine Website gesetzt. Meine weltweit über 200 000 Studenten können meine Artikel deshalb nicht mehr lesen.“), Aktivist („RWE und EON […] will ich seit 41 Jahren mit den Neutrinos bankrott machen.“), offenbar Erdogan-Sympathisant („Mein Wissen ist für türkisches Parlament und Regierung gratis, kostet ihnen also keinen Cent.“) und natürlich Gesundheitsexperte („Weil ich seit Jahrzehnten jeden Morgen im Bett einen viergeteilten Apfel genieße und danach am Tag 2 Liter grünen Tee trinke, spüre ich keinen Hunger. Deshalb hatten die Corona-Viren bei mir keine Chance.“).
Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Aber es beruhigt mich, dass dieses bisher unerkannte Genie einen wachsamen Blick auf mich hat. Ich besorge mir jetzt erstmal Plastikfolie. Und Dübel.
(Bild: SHVETS production/Pexels)