Rauchmelder is watching you (6:00)

Seitdem wir zu Hause einen Rauchmelder haben, ist nichts mehr wie vorher. Wir sind viel ruhiger geworden, weil wir nicht mehr ständig selber durch die Wohnung hetzen müssen, um zu prüfen, ob es irgendwo brennt. Sich die Tages- und Nachtschichten gerecht aufzuteilen, war zuletzt eine regelrechte Qual für meine Frau und mich, zumal ich arbeitsbedingt seit einiger Zeit immer recht spät zu Hause bin. Ständig gab es Auseinandersetzungen, weil einer von beiden sich immer ungerecht behandelt fühlte wegen zu vieler Doppelschichten und zu wenig Freizeit und so weiter. Aber das ist jetzt glücklicherweise vorbei.

Wir schlafen jetzt viel ruhiger. Fast die ganze Nacht durch. Am Anfang schreckte ich noch regelmäßig aus unruhigen Träumen hoch, so gegen zwei oder drei Uhr nachts, und rüttelte meine Frau wach.

„Hast du deine Runde schon gemacht?“, fragte ich sie dann. „Oder bin ich dran?“

Anfangs grunzte sie mir noch genervt im Halbschlaf entgegen, später landete einfach nur ihr Handrücken in meinem Gesicht, was mich daran erinnerte, dass niemand mehr nachts die Wohnung auf Schwelbrände, Kabelbrände, Kriechbrände und dergleichen zu überprüfen hatte. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, schlafe nachts wie ein Baby und wache jeden Morgen herrlich frisch und erholt auf.

Zur Steigerung meiner Fitness trägt auch das Bewegungsprogramm bei, das die Installation eines Rauchmelders mit sich bringt. Denn auch, wenn wir jetzt die Wohnung nicht mehr im Auge behalten müssen, so müssen wir es doch den Rauchmelder.

Das kleine, weiße Kontrolltamagotchi in unserem Flur fing kurz nach seiner Montage an, mit uns zu kommunizieren. Erst blinkte es nur unfreundlich vor sich hin, und zwar so hell, dass ich dachte, jemand hätte bei uns im Flur einen Blitzer aufgestellt. Ich wälzte stundenlang die Bedienungsanleitung, konnte zur Bedeutung des Blinkens allerdings nichts finden.

Glücklicherweise kam zu dem Blinken kurze Zeit später noch ein Piepen dazu und zwar ein doppeltes, und dazu stand tatsächlich etwas in dem kleinen Anleitungsheftchen. Es handelte sich dabei nicht, wie von mir in einem naiven Anflug von Erkenntnis zunächst angenommen, um das Signal, dass die Batterie sich dem Ende zuneigte, sondern um einen Vorgang, der „Überprüfung der Umgebung“ genannt wurde. Offensichtlich passte dem Rauchmelder seine Nachbarschaft nicht. Entweder war ihm das Licht zu hell oder der Schrank zu nah – eine echte Diva schienen wir uns da unter unsere Decke geschraubt zu haben.

Die Lösung sollte folgendermaßen aussehen: Auf den Knopf am Rauchmelder drücken, warten, bis der Signalton ertönt und sich dann innerhalb von zehn Sekunden entfernen. Ich tat wie beschrieben und die Diva gab Ruhe. Allerdings nur für drei Tage. Dann ging das Gezeter von vorne los: Blinken, Piepen, Draufdrücken, Ruhe. Und nach drei Tagen wieder. Schließlich nach nur zwei Tagen. Irgendwann jeden Tag.

Wochenlang war ich jetzt schon dabei, regelmäßig auf den großen, weißen Camembert zu drücken, der in unserem Flur an der Decke hing. Mittlerweile hatte ich durch das ständige Strecken kräftige Bauchmuskeln und einen flotten Schwung in den Fußgelenken bekommen. Bierkisten und schwere Einkaufstüten zu uns in den vierten Stock zu tragen, fiel mir immer leichter. Ich passte sogar langsam wieder in T-Shirts der Größe L. Trotzdem konnte es so nicht weitergehen. Laut Beschreibung lag das Piepen nämlich in einer Fehlfunktion begründet und die sollte wohl behoben werden.

Ich rief die Servicehotline an und schilderte der Dame am anderen Ende das Problem.

„Hallo, Stefan hier. Mit unserem Rauchmelder stimmt etwas nicht. Der…“

„Adresse bitte!“, war die knappe Anweisung aus der Leitung.

Ich nannte Straße und Hausnummer.

„Das Ding…“, setzte ich gerade wieder an.

„Jaja, ich seh‘ schon!“, wurde ich unterbrochen. „Das liegt wohl an ihrer Lampe im Flur. Die muss da weg. Oder einer von uns muss rumkommen und den Melder umsetzen.“

Verwirrt blickte ich in Richtung Rauchmelder. Wie konnte die denn von der Lampe wissen? Zaghaft hob ich die Hand und winkte dem kleinen festgeschraubten Mini-UFO zu.

„Ja, was gibt’s denn noch?“, hörte ich die Servicedame ungeduldig fragen. „Was haben sie denn heute überhaupt wieder für ein hässliches Hemd an? Das von gestern war viel besser. Aber ist ja klar, wenn man die Waschmaschine nur alle zwei Wochen anschmeißt, liegen am Ende nur noch die abgenutzten Sachen im Schrank, was?“

Erschrocken und ungläubig starrte ich den Rauchmelder an. Es schien, als würde mir das Blinklicht jetzt zuzwinkern.

„Na, jetzt tun sie mal nicht so überrascht. Was meinen sie denn, warum die Dinger jetzt in jedem Haushalt Pflicht sind? Sicherheit? Son Quatsch! Wir wollen wissen, was sie im Kühlschrank haben und welche Schuhe sie tragen. Ihre Frau ist in Sachen Mode übrigens viel sicherer unterwegs als sie, wenn ich das so sagen darf. Sie sollten bloß aufpassen, dass sie dem Paketboten nicht allzu schöne Augen macht, wenn sie verstehen, was ich meine.“

Ich war baff. Und erschrocken. Und irgendwie auch erleichtert. Wachte doch jetzt ein kleines, weißes Waffeleisen über unser Leben.

Nachdem ich mich gesammelt hatte, vereinbarte ich mit der netten Dame einen Kontrolltermin. Ein paar Tage später wurde der Rauchmelder um einen halben Zentimeter versetzt. Seitdem ist Ruhe und manchmal glaube ich, ein Lächeln zwischen den Lamellen im Gehäuse erkennen zu können.

Mit meiner Frau habe ich auch gesprochen. Sie hat mir angeboten, mich modetechnisch mehr zu beraten, sodass ich wieder guten Gewissens auf die Straße treten kann.

Das mit dem Paketboten hat sich ebenfalls erledigt, weil bei ihm im Keller fast 1500 nicht zugestellte Sendungen aus den vergangenen drei Jahren gefunden wurden. Dem Vergehen war die Polizei auf die Spur gekommen, nachdem bei dem Paketboten zu Hause mehrere Rauchmelder installiert worden waren.

Meine Frau und ich genießen den Alltag jetzt noch bewusster. Seitdem wir wissen, dass wir uns um unser Zuhause keine Sorgen mehr machen müssen, lebt es sich einfach entspannter. Wir lassen sogar manchmal die Wohnungstür sperrangelweit offen, wenn wir morgens zur Arbeit gehen. Kann ja nichts passieren. Und manchmal erreichen mich anonyme E-Mails mit einem Lob für mein Outfit. Oder mit dem Hinweis, dass die Blumen mal wieder gegossen werden müssten.

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