Highway to SALE (5:00)

Ich schwitze. Seit Stunden schon. Die Klimaanlage im Auto gibt ihr bestes, doch gegen die Stresshitze, die mir seit geraumer Zeit den Hals hochwabert, kann sie nichts ausrichten. Meine Hände halten das Lenkrad fest umklammert. Um mich herum sind nur Autos. Autos und Hitze. Ich stehe im Stau und fluche laut immer die gleichen Monologe gegen die Windschutzscheibe. Was für ein höllischer Samstag. Dabei will ich nur einkaufen.

Auf Sonderangebote und Schnäppchen habe ich es abgesehen. Und zwar auf alle, die ich in den Werbeprospekten dieser Woche finden konnte. Ich will alles. Und am besten nichts dafür bezahlen.

Ich war früh aufgestanden und hatte mich sofort auf den Weg zum ersten Supermarkt gemacht. Für Margarine und Nutella zum halben Preis verzichte ich gerne auf ein paar Stunden Schlaf. In einem Discounter am anderen Ende der Stadt hatte ich es anschließend auf den verbilligten Multivitaminsaft abgesehen. Im Einkaufswagen landeten so viele Sechserträger, dass ich ihn nur mit Mühe um die Regale herum zur Kasse manövrieren konnte. Danach nahm ich die nächste Etappe zu einem Einkaufszentrum im benachbarten Landkreis in Angriff. Der Grund waren heruntergesetzte Kaffeepads, von denen ich mir so viele schnappte, dass sie ungefähr bis zum aufgedruckten Mindesthaltbarkeitsdatum in sieben Monaten reichen müssten.

Inzwischen war es Mittag geworden und nachdem ich die Packungen mit den Kaffeepads überall im Auto zwischen die Paletten mit Margarine und Nutella gestopft hatte, genehmigte ich mir eine kurze Pause beim Bäcker im Einkaufszentrum. Während ich mir vor der Bäckerei einen kurzen Moment der Ruhe gönnte und mich dem Kaffee-plus-Kuchen-Sonderschnäppchen widmete, beobachtete ich die anderen Kunden. Einzelpersonen, Pärchen und Familien schoben nacheinander ihre Einkaufswagen zum Auto. Zwischen ihren Einkäufen entdeckte ich nur vereinzelt hier und da mal ein Päckchen Kaffeepads, manchmal sogar von Marken, die gar nicht heruntergesetzt waren. Haben die denn das mit den Sonderangeboten nicht verstanden?, fragte ich mich.

Wenig später hatte ich meine Pause beendet. Ich hatte noch viel vor und jetzt sollte es richtig knifflig werden. Ich musste nämlich noch in zwei Baumärkten vorbeischauen, einer im Norden, einer im Süden, mit vielen Kilometern dazwischen. Doch der um 50 Prozent reduzierte Akkuschrauber sowie die Orchideen für fünf Euro pro Stück waren es wert. Ich tankte voll und nahm Kurs auf die Stadtautobahn.

Und jetzt stehe ich hier im Stau. Bereits zwei Minuten nachdem ich auf die Autobahn gefahren war, ging nichts mehr. In der vergangenen halben Stunde bin ich nur 800 Meter weit gekommen. In den 90 Minuten davor dürften es nicht viel mehr gewesen sein.

In den Nutellagläsern hat sich die sonst so geschmeidige Nuss-Nugat-Creme durch die Hitze in eine flüssige, braune Suppe verwandelt. Die wird nie wieder so, wie sie mal war. Vielleicht kann ich sie der Tafel spenden.

Einen Sixpack mit Saft musste ich anbrechen, um in meinem unzureichend gekühlten Fahrzeug nicht der inneren Dürre zum Opfer zu fallen. Jetzt überlege ich, ob der verbleibende Saftvorrat wohl bis zur nächsten Sonderaktion hält. Der Gedanke, meinen Lieblingssaft außer der Reihe einmal zum Normalpreis kaufen zu müssen, jagt mir eiskalte Schauer über den Rücken. Aber nur kurz, dann ist die Stau- und Wartehitze wieder da.

Eine weitere halbe Stunde vergeht, dann lichtet sich der Stau endlich. Langsam tuckern die Autos vor mir los und ich tuckere mit. Kurz darauf läuft es wieder recht flüssig. Dann entdecke ich den Grund für den Stau: Ein Lieferwagen hat offenbar nähere Bekanntschaft mit der Leitplanke gemacht. Der Fahrer steht ratlos daneben, während sein zerbeultes Fahrzeug auf die Ladefläche des Abschleppwagens gezogen wird. Ich gaffe nur kurz und kann dann endlich wieder Gas geben. Der Akkuschrauber wartet.

Es ist früher Abend, als ich auf den Parkplatz des Baumarktes rolle. Ich hetze zum Schnäppchenregal und finde nur gähnende Leere. Ein Mitarbeiter erklärt mir, dass der Nachschub schon längst da gewesen wäre, hätte der Lieferant auf dem Weg hierher nicht einen Unfall mit seinem Lieferwagen gehabt. Heute werde das wohl nichts mehr. Schulterzucken. Abgang.

Es ist ein Rückschlag, den ich schnell verkrafte. Der Schrauber war nur für mich gedacht. Mit den Orchideen für fünf Euro, die jetzt noch als letzter Posten auf dem Zettel stehen, soll jedoch meine Frau beglückt werden. Jetzt muss alles passen.

Ich tanke erneut. Der lange Weg mit der schweren Fracht, der stundenlange Stau und der Dauerbetrieb der Klimaanlage haben die Kraftstoffreserven erschöpft.

Es geht zurück auf die Autobahn. Die Dämmerung setzt ein und damit verschwindet auch die Hitze langsam. Der Verkehr fließt und ich erreiche den zweiten Baumarkt kurz vor Ladenschluss. Bei der Suche nach den Orchideen werde ich nicht fündig. Eine Mitarbeiterin erklärt mir, dass es dieses Angebot bereits seit einer Woche nicht mehr gibt. Aus Frust kaufe ich verbilligte Blumenzwiebeln und einen Handfeger aus dem Ein-Euro-Regal.

Der Heimweg dauert Stunden. Als ich zu Hause auf den Hof einbiege, ist es tiefe Nacht. Am Kühlergrill hängen die Überreste eines Fuchses. Ich trage die Schnäppchen ins Haus und falle erschöpft ins Bett.

Nächste Woche habe ich mir Urlaub genommen. Da fahre ich zum Moonlight-Shopping in ein Möbelhaus nach Bayern.

2 Gedanken zu „Highway to SALE (5:00)

  1. Gott sei Dank ist Benzin heutzutage so billig. Dann lohnen sich die Schnäppchen noch mehr.

    Was bin ich froh, dass ich kein so extremer Schnäppchenjäger bin. Das wäre mir zu stressig. Da kann ich mit meiner Zeit deutlich besseres anfangen

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