Der Sommer stinkt

Gerüche und Erinnerungen sind bei mir eng miteinander verknüpft. Wenn ich eine bestimmte Sorte Duschgel rieche, fühle ich mich zurückversetzt in die Umkleide nach dem Sport vor 20 Jahren. Und bei der Geruchsmischung aus Rasen, feuchter Erde, Grill und Bier muss ich an die guten alten Zeiten auf dem Festivalcampingplatz denken. So ist das auch im Sommer. Richtiges Urlaubsfeeling kommt bei mir erst auf, wenn es nach Fäkalien riecht.

Im Urlaub muss es ab und zu nach Scheiße riechen, sonst fehlt irgendwas. Früher war es der Familienurlaub. Mit dem Auto rollten wir durch die Dörfer in Niedersachsen oder Bayern und von draußen drang der Geruch von Jauche oder frischem Kuhdung ins Fahrzeuginnere. Mein Vater hob dann immer demonstrativ die Nase und sagte genüsslich: „Ahh, das ist Landluft!“

Später war es dann der erste Urlaub mit der Freundin im Süden. In Spanien nahmen wir den Hinterausgang des Hotels, um schneller zum Strand zu kommen und standen plötzlich auf schmuddeligem Brachland. Zwischen Unrat und Unkraut streunten Katzen umher. Und während unseres weiteren Weges Richtung Meer wehte uns ein leichter Geruch nach Fäkalien um die Nase. Verbunden mit der prallen Sonne und den 30 Grad im Schatten war es trotzdem eine angenehme Atmosphäre. So musste es hier einfach riechen. Hier in der Fremde, 2000 Kilometer von zu Hause entfernt. Ich fand’s wunderbar.

Noch später, während der ersten Reise nach Asien, kamen weitere angenehm unangenehme Gerüche dazu. Auf dem Steg am Meer waren unzählige Fische nach dem Ausnehmen zum Trocknen ausgebreitet. Auf dem Markt daneben wurde Stinkfrucht zum Kauf angeboten. Hinter den Verkaufsständen führten offene Abwasserkanäle über den Platz. Tote Tiere, Hühnerfüße, Abgase. Und wieder Fäkalien. Herrlich, dieses Potpourri in einer weit entfernten Welt.

Diese Geruchserinnerungen haben sich tief in mir festgesetzt. Auch in Deutschland riecht es im Sommer oft nach Scheiße. Im Park prügeln sich die Schmeißfliegen um den besten Platz auf dem Hundekackebeutel im Papierkorb. An der Kreuzung zur Schnellstraße stehe ich plötzlich in einer undefinierbaren Geruchswolke. Und hinter dem Altglascontainer muss auch etwas liegen, dass bei 30 Grad und praller Sonne seinen Geruch entfaltet.

Und dann geht wieder die Fantasie mit mir durch. Ich spüre die Sonne und die Hitze und den Schweiß. Und ich rieche das angenehm Unangenehme. Und plötzlich stehe ich wieder auf der schmuddeligen Seitenstraße auf Mallorca und freue mich auf einen Tag am Strand. Ich schlendere über den Markt in Indonesien und sauge all die Eindrücke einer fremden Kultur auf wie ein Schwamm. Und ich wandere durch die bayrischen Dörfer und genieße den Blick auf Kuhweiden und Bergpanorama.

So fühlt sich Urlaub an. Auch wenn ich eigentlich nur Mittagspause habe und kurz zum Bäcker gehe.

3 Gedanken zu „Der Sommer stinkt

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