Wo die Sonne niemals scheint – Mein erstes Mal beim Proktologen

Ohne meine HPV-bedingte Krebserkrankung stünde ich einem Knubbel am Darmausgang vielleicht etwas gelassener gegenüber. Doch weil ich weiß, dass HPV auch in dieser Körperregion sein Unwesen treibt und unter anderem Feigwarzen und Analkrebs verursachen kann, lasse ich solch eine Unregelmäßigkeit, die ich letztens beim Duschen ertastete, gerne abklären und bin auf der sicheren Seite. Beim letzten Mal war der Knubbel auch schnell wieder weg.

Der erste Weg führte mich zu meiner Hausärztin. Online war schnell ein Termin gemacht, die Digitalisierung scheint hier zu funktionieren.

Warten musste ich auch nicht lange. Schnell war der Gummihandschuh über der Hand und diese dann am Begutachten des besagten Knubbels. Etwas unangenehm, aber das kannte ich schon. Und im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte, ein absoluter Sonntagsspaziergang.

„Sie haben eine knotenförmig hervortretende Erweiterung der Mastdarmvene“, sagte die Ärztin. „Kurz: eine Hämorrhoide. Das sollte sich am besten mal ein Proktologe anschauen.“

Über den kurzen Dienstweg kam ich recht schnell an einen Termin bei besagtem Proktologen. Ich war noch nie bei einem Proktologen und schon sehr gespannt.

Die Praxis war knallvoll. Flur, Rezeption und Wartezimmer quollen über vor Patienten. Ich fand gerade noch so einen freien Sitzplatz an der Tür. Es herrschte ständiges Kommen und Gehen. Alle paar Minuten wurden halb betäubte Rentnerinnen aus dem Behandlungszimmer in den Wartebereich geführt, die dann dort Platz nahmen und kurz darauf von ihren Begleitpersonen abgeholt wurden. So wie es aussah, kamen die alle von einer Darmspiegelung. Interessant. Assistentinnen wuselten umher, trugen frische Handtücher durch die Gegend, räumten leere Gläser weg und riefen sich über mehrere Räume hinweg Anweisungen zu. Dieser ganze Trubel ließ mich in einer angespannten Haltung der Dinge harren, die da kommen sollten.

Diese Dinge kamen nach gut eineinhalb Stunden Wartezeit. Ich wurde in eine winzige Umkleide geführt, durch deren Tür am anderen Ende ich in das Behandlungszimmer gelangte. Die Atmosphäre in diesem Raum mit wenig Licht ähnelte bereits dem Vorhof zum Anus.

Ich sollte mich untenrum freimachen und mich seitlich auf die Liege legen.

„Ich schau mal eben“, sagte der Arzt. Er hatte ein freundliches Wesen und war mir direkt sympathisch. Er schaute und hatte dann doch aber noch irgendein Gerät als Unterstützung dabei. Gar nicht mal so angenehm.

„Ok, ich nehm dann mal das Proktoskop. Schon locker lassen…“

Na ok, bis jetzt war es ja gar nicht so schli… Whouuuuhuuuu! Heiliger Homer! Was ist das denn?! Gibt es das Proktoskop auch eine Nummer kleiner?! Das fühlt sich ja an, als würde mir da ein Riesendildo… Boooaaahh, WAS MACHEN SIE DENN DA?!

Plop. Das Proktoskop verließ meinen Körper, sowie kurz zuvor bereits meine Seele meinen Körper verlassen hatte und nun von oben auf mich herabblickte. Da lag ich nun. Entblößt. Proktoskopiert. Schwitzend. Kannte ich gute Anwälte?

Doch der Schmerz verließ mich so schnell, wie er gekommen war. Auch die Seele kehrte zurück und ließ mich wieder klare Gedanken fassen.

„Die Schwellung ist nicht schlimm“, sagte der Arzt. „Die geht bald wieder weg. Ich habe zur Sicherheit einen HPV-Abstrich gemacht. Die Schmerzen kommen von zwei kleinen Entzündungen. Dagegen verschreibe ich Ihnen eine Salbe. Normalerweise tut das Proktoskop nicht so weh.“

Na ok, dann will ich das mal glauben. Klingt ja gar nicht so schlecht. Stöhnend richtete ich mich auf und zog mich wieder an. Mit einem mitfühlenden Schulterklopfen verabschiedete sich der Proktologe von mir. Ich musste mich auf der Patiententoilette erstmal sammeln, bevor ich nach Hause fuhr.

Die Salbe hat geholfen. Und der HPV-Abstrich war offenbar auch negativ. Ich bin froh, dort gewesen zu sein. Anscheinend habe ich jetzt einen Proktologen. Das ist bestimmt viel wert.

(Bild: Callum Hilton/Pexels)

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