Was mich bei der Diskussion über die Coronamaßnahmen immer wieder irritiert, ist die Ungeduld meiner Mitmenschen. Die Pandemie hatte kaum begonnen und die ersten Maßnahmen waren gerade in Kraft getreten, da empörten sich die Ungeduldigen auch schon darüber, wie lange das Ganze denn wohl noch dauern würde. Könne ja nicht sein, dass die Grundrechte jetzt eingeschränkt werden. Maskenpflicht beim Einkaufen sei ja niemandem zuzumuten. Und dass man nicht mehr nach Malle fliegen könne, sei ja auch ein Ding der Unmöglichkeit.
Die Familienkutsche mit Namen „Deutschland“ schlittert durch die Pandemie. Merkel hinterm Lenkrad und Spahn auf dem Beifahrersitz versuchen, die Kiste auf Kurs zu halten. Und hinten auf der Rückbank sitzen 82 Millionen quengelnde Kinder und kreischen andauernd „Sind wir bald da?“ Und während sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft weiter in den Haaren haben, benimmt sich das Virus wie die Axt im Wald und nimmt auf individuelle Bedürfnisse mal so gar keine Rücksicht.
Ich weiß, Lockdown ist scheiße
Ich weiß, Lockdown ist scheiße und geht irgendwann jedem auf die Nerven. Vor allem Gastronomie und Kultur sind in den Arsch gekniffen. Und ein Abitur ohne Präsenzunterricht, Abistreich, Abiball und Abifahrt ist sicherlich auch nicht das, was sich die Schüler vorgestellt haben. Doch diese Naturkatastrophe wird leider durch soziale Kontakte begünstigt. Ein überfüllter Schulbus und eine kleine Kellerkneipe auf der Reeperbahn eignen sich nicht für die Einhaltung von ausgefeilten Abstandskonzepten.
Mit Geduld wären wir in dieser Pandemie schon einen großen Schritt weiter. Allein schon wegen der Beschaffenheit so manchen Nervenkostüms. Trotz Lockdown, trotz leidender Wirtschaft, trotz verschlafener Impfkampagne, trotz unverschämter Lobbyisten: Geduld, Zurückhaltung und Vertrauen in die Experten ist jetzt geboten. Die Leute sollten einfach ihre Arbeit machen. Es ist doch für uns alle die erste Pandemie.
Krebspatienten sind Experten in Geduld
Krebspatienten kennen sich mit Geduld aus. Zwangsläufig. Im Therapie- und Heilungsprozess ist jeder von uns zur Geduld verdammt. Wir warten ständig. Auf Termine, auf Ergebnisse, auf Behandlungen.
Ich persönlich habe mehrere Jahre auf eine Diagnose warten müssen. Und auch wenn die Termine für meine Operationen immer schnell vereinbart waren, musste ich an diesen Tagen immer quälend lange warten, bis ich in den OP-Saal geschoben wurde. Meine zweite Operation wurde erst gegen 16 Uhr auf den kommenden Tag verlegt, nachdem ich schon seit dem Morgen ohne Essen und angespannt bis zur Zimmerdecke in meinem Krankenbett gelegen und gewartet hatte.
Andere Krebspatienten warten jahrelang auf Heilung. Müssen Bestrahlung und Chemotherapie über sich ergehen lassen. Zyklus um Zyklus. Dazu Kontrolltermine. CT, MRT, Blutuntersuchungen, Spiegelungen. Und dann wieder warten auf einen Besprechungstermin und die Ergebnisse. Manche warten ihr Leben lang vergeblich auf gute Nachrichten.
Krisen bewältigen lernen
Kontaktverbot, zu Hause bleiben und nicht rausgehen ist für viele Krebspatienten auch ohne Pandemie an der Tagesordnung. Wenn der Körper durch die vielen Behandlungen so geschwächt und das Immunsystem so weit unten ist, dann sind Sofa, Bett, Kühlschrank, Fernseher und Telefon die wichtigsten Begleiter. Und an Party, Urlaub und Shopping denkt in dieser Situation niemand.
Krisenzeiten lassen sich am besten verstehen, wenn man sie selbst durchgemacht hat. Nicht ohne Grund gehen viele Krebspatienten geläutert aus ihrer Krankheit hervor und haben hinterher eine völlig neue Sicht auf die Dinge. Nun wünsche ich niemandem eine Krebserkrankung. Schon gar nicht, um verbohrte Ansichten in Bezug auf Corona loszuwerden oder die Verschwörungstheorien von Köchen und Schlagersängern zum Teufel zu jagen. Doch in Sachen Krisenbewältigung und Durchhaltevermögen sind Krebspatienten anderen in diesen Zeiten einen wichtigen Schritt voraus. Manchmal hilft es, den Blickwinkel zu ändern und zu versuchen, sich in andere hineinzuversetzen. Empathie ist möglich.
Bild: Serkan Göktay/Pexels
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