Das TV-Dschungelcamp „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ ist ein Phänomen. Während ähnlich lang laufenden Trash-TV-Formaten wie „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Germanys next Topmodel“ immer mehr Zuschauer weglaufen, verzeichnet das Open-Air-Ekelcamp im australischen Urwald jedes Jahr neue Quotenrekorde. Und jedes Jahr wird die Show angeblich von niemandem gesehen, jeder kann am nächsten Tag bei der Arbeit aber trotzdem mitreden. Für zwei Wochen scheinen selbst anspruchsvolle Fernsehzuschauer den verbildlichten Kotzreiz bei RTL aushalten zu wollen. Die Emotionen, die der durchschnittliche Dschungelcampkonsument während der 17 Tage dauernden Show durchläuft, lassen sich, ähnlich wie bei der Trauerbewältigung, in vier Phasen unterteilen: Leugnen, Gefühlschaos, Akzeptanz, innere Leere.
Leugnen
Schon Wochen vorher kann sich der TV-Zuschauer dem bevorstehenden Start der Peinlichkeitsfestspiele kaum entziehen, wenn zahlreiche Gerüchte über mögliche Insassen durch die Klatschpresse geistern. Den Höhepunkt erreicht die Vorberichterstattung meist mit der Veröffentlichung von Nacktfotos einer der Teilnehmerinnen im Playboy. Selbst zu diesem Zeitpunkt ist sich der Zuschauer noch nicht sicher, ob er sich das Elend in diesem Jahr erneut antun möchte. Schließlich passiert ja eigentlich jedes Jahr das gleiche und jedes Jahr fragt man sich, warum man sich das jedes Jahr aufs Neue wieder antut. An dieser Stelle steckt der Zuschauer bereits mitten in der ersten Phase fest. Die Zweifel halten bis weit nach Start der Eröffnungsfolge am ersten Tag an. „Eigentlich gucke ich das ja gar nicht“, „So richtig habe ich das im letzten Jahr doch gar nicht mehr geguckt“, „Ich gucke vielleicht mal ganz kurz rein“ – Das sind die Gedanken, die dem Zuschauer in der ersten Hälfte der Eröffnungsshow durch den Kopf gehen. Noch leugnet er sein Interesse, doch das wird sich bald ändern. Die weiteren Phasen des Dschungelcampguckens spielen sich ebenfalls am ersten Tag der Show ab.
Gefühlschaos
Nach der ersten Stunde der Eröffnungsshow des Dschungelcamps ist sich der Zuschauer sicher: „Also, das kann man sich in diesem Jahr wirklich nicht anschauen. Was da diesmal für Leute dabei sind…“
Eine Stunde später denkt er: „Ach, die erste Dschungelprüfung war ja ganz spannend. Und ein paar von den Leuten sind ja ganz witzig.“
Kurz darauf: „Gott, was für eine Hohlbratze! Das kann man sich dieses Jahr wirklich nicht anschauen!“
Akzeptanz
Schließlich schaut sich der Konsument die erste Show komplett bis zum Ende an. Und er wird sich auch die gesamte Staffel bis zum Ende anschauen. Letztendlich hat er akzeptiert, dass er auch in diesem Jahr um das Dschungelcamp nicht herumkommen wird. Allzu schlimm findet er das allerdings nicht, denn es sind ja nur popelige zwei Wochen, die er den Ex-Promis beim Spermasaufen und Kakerlakenkuscheln zuschauen muss.
Innere Leere
Nach dem Finale der Show, bei dem der Sieger den Dschungel mit einer von RTL-Praktikanten gebastelten Palmenkrone auf dem Kopf wieder verlässt, verflucht der Zuschauer den Sender, weil die Show nur popelige zwei Wochen gedauert hat. Nun muss sich der Konsument wieder nach anderen Einschlafhilfen im TV umschauen. „Was soll ich denn jetzt nur gucken?“, jammert er, während er sich um 22.15 Uhr durch die Kanäle zappt. Das gleiche Phänomen tritt übrigens auch nach dem Ende der Wintersportsaison auf, wenn sich tausende Väter wieder mehr mit ihren Kindern beschäftigen müssen, weil sie sonntags kein Biathlon, Skispringen oder Rodeln mehr gucken können. Und wenn der TV-Zuschauer im darauffolgenden Winter die Brüste einer neuen Dschungel-Kandidatin im Playboy erblickt, denkt er: „Also in diesem Jahr kann man sich das ja wirklich nicht anschauen…“
[…] Ansatz aus 2015 behalte ich 2016 zunächst bei. So lasse ich mich beispielsweise über das Dschungelcamp, Facebook und das Bild der Presse aus. Arbeiten und Bahn fahren prägen weiterhin mein Leben und so […]
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[…] Gruppe, deren Mitglieder mein Beitrag vielleicht interessieren könnte (zum Beispiel über das Dschungelcamp). Meine Krebsgeschichte teilte ich nicht nur über meine Blogseite, sondern auch über mein […]
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Ich hab den Kram noch nie gesehen, lese aber doch gern (und heimlich) die täglichen Zusammenfassungen in der FAZ. :S
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[…] lustig war übrigens die Fan-Gruppe zum RTL-Dschungelcamp, in die ich eingetreten bin, um dort einen entsprechenden Beitrag zu verbreiten. Warum sich die […]
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Ich muss mich auch outen. Seit diesem Jahr bin ich richtig zum Dschungelcamp- Junkie mutiert und ich finde das nicht Mal so schlimm. Wenn man genauer darüber nachdenkt findet man sogar Argumente, die das Schauen dieser Show sogar bei „Intelektuellen, die sowas nie im Leben schauen“ rechtfertigen würden, aber ich gebe zu dass ich es primär nur wegen dem Unterhaltungsfaktor schaue ;)
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Ich denke, solange sich selbst die Wissenschaft mit dieser Show beschäftigt und der Zuschauer das alles richtig einzuordnen weiß, muss man sich dafür nicht rechtfertigen. Danke für deinen Kommentar! ;-)
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Also, ich oute mich ganz offen: ich schaue das jedes Jahr. Nicht jeden Abend, aber wenn es sich ergibt. Ich kann es mir selbst nicht erklären… Alles andere an Trash-TV lässt mich kalt, aber das Dschungelcamp muss irgendwie sein. Unergründlich…
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Genau so ist es ja bei mir auch. Leider. Leider? Ich weiß nicht. Deswegen wollte ich diesen Vorgang ja mal wissenschaftlich-psychologisch analysiert wissen. Wenn das mal jemand später in ein Lehrbuch aufnehmen möchte, bittesehr.
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Ich finde immer erstaunlich, wie sich jemand im Laufe der Sendung als sympathisch oder unsympathisch entpuppt, den man vorher anders eingeschätzt hat. Vlt ist das Teil des Reizes. Ich habe letztes Jahr auch angefangen Utopia zu gucken, aber das war ja so offensichtlich gescriptet, dass ich die Lust schnell verloren habe. Beim Camp frage ich mich immer noch, wie sehr von außen Einfluss genommen wird.
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goil, genau so eine Überflieger-Sendung passt doch zum besorgten Bürgerklientel… ;->
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Jau. Eine Gesellschaft, die sich über eine Fernsehsendung aufregen kann, hat wahrlich keine schlimmen Probleme ;-)
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