Der Frühling ist toll. Die Bäume ziehen sich langsam wieder etwas an, die Mädchen ziehen sich langsam nicht mehr so viel an, beim Autofahren kann man den eingerosteten Schalter fürs Schiebedach wieder benutzen und die Heizungsrechnung für den vergangenen Winter verschwindet auf Nimmerwiedersehen im Aktenordner. Und als Belohnung für den langen, harten Winter beginnt das Frühjahr mit einer geballten Ladung Feiertage. Ostern, Pfingsten, 1. Mai, Himmelfahrt… Wohin mit soviel Freizeit?
Damit dem Menschen an den Feiertagen nicht langweilig wird, hat er die Dekoration erfunden. Und damit die Menschen das ganze Jahr über Dekoration benötigen, hat die Feiertagsindustrie die durch Schmuck hervorzuhebenden Ereignisse fein säuberlich über das ganze Jahr verteilt.
Eben noch habe ich meinen knackig braunen Weihnachtsbaum abgeschmückt und zu den Mülltonnen an die Straße gestellt, da muss ich mein Haus schon wieder im Zeichen der Liebe eindecken, denn es naht der Valentinstag. Überall muss ich kleine, mittlere und große Herzen platzieren. In die Fenster zur Straße stelle ich große Rosensträuße, den allergrößten hebe ich natürlich für meine Frau auf. Auf dem Rasen im Vorgarten steht ein riesiges Engelspärchen aus Plastik, das sich küsst. Und über dem Carport hängt ein kleiner Amor mit Pfeil und Bogen, der mithilfe eines Bewegungsmelders jeden Besucher mit dem Song „Love is in the air“ begrüßt. Voll romantisch.
Doch soviel Liebe hält ja kein Mensch aus. Zum Glück ist der Valentinstag bald vorbei und es geht schnurstracks auf Ostern zu. Die blöden Herzen kloppe ich wieder in den Karton, der dann im Keller verschwindet. Stattdessen muss ich überall kleine Häschen, Küken und Lämmchen platzieren. Jedes Gebüsch im Vorgarten wird mit einer Million bunter Plastikostereier überschüttet und ich hoffe, dass die Osterglocken pünktlich aus der Erde kommen.
In diesem Jahr bin ich leider etwas spät dran mit meiner Osterdeko. Mein Nachbar hat nämlich bereits vor einigen Tagen mit der frühlingshaften Umgestaltung seines Geheges begonnen. Der hat sich bestimmt extra dafür ein paar Tage frei genommen. Der Arsch! Doch nicht mit mir. Sollen die anderen Nachbarn ruhig denken, dass ich den rechtzeitigen Dekostart verpennt habe. In diesem Jahr habe ich mir etwas ganz besonderes ausgedacht. Der singende Amor war nur der Anfang.
Dort, wo sich vor wenigen Tagen noch zwei Engel abgeknutscht haben, verteile ich mehrere Kubikmeter Holzhackschnitzel auf dem Boden. Das habe ich vor kurzem auf dem Weihnachtsmarkt gesehen und fand das sehr ansprechend. Auf dieser Fläche, die ungefähr so groß ist wie eine Verkehrsinsel, baue ich dann das Highlight dieses Jahres, ach was, der kommenden Jahre in meinem Vorgarten auf: eine lebensgroße Hasenschule. Also, lebensgroß so wie Menschen. Jedenfalls voll süß.
Ich habe sechs alte Schulbänke besorgt, solche, bei denen man die Tischplatte hochklappen kann und darunter ist dann ein Staufach für alles mögliche. Und natürlich habe ich auch eine Tafel und einen Tisch für den Lehrer. Die Figuren habe ich mir aus Rumänien besorgt. Die können da einfach am besten und am günstigsten mit Holz umgehen. Jede Figur hat ihren eigenen Platz und alle paar Tage ändere ich die Szene. Mal ist der Lehrer wütend und hat grimmig zusammengeschobene Augenbrauen, mal schläft in der letzten Reihe einer der Lausebengel oder eines der schüchternen Hasenmädchen muss vorne an der Tafel eine Aufgabe vorrechnen. Voll realistisch. Und nach dem Fußballländerspiel, das eine Woche vor Ostern stattfinden soll, will ich das Ergebnis an die Tafel schreiben und die Klasse soll darüber diskutieren. Oder so ähnlich.
Ostern wird dieses Jahr also ganz toll. Da freue ich mich schon drauf. Doch nach Ostern ist vor Himmelfahrt, wie der Fußballer ja bekanntlich sagt, und dafür muss die Deko wieder etwas abgeändert werden. Am ersten Mai halte ich zunächst kurz inne und hisse für einen Tag meine Gewerkschafts-Flagge. Dann darf die meiste Osterdeko wieder hingestellt werden, allerdings nur die, die nichts mit Ostern zu tun hat. Das heißt, dass alle Häschen, Eier und Lämmchen verschwinden müssen, Blümchen und alles was mit Wetter zu tun hat, darf bleiben.
Dann kommt der Sommer. In dieser Zeit besteht mein Vorgartenschmuck lediglich aus einem lieblos aufgeblasenen blau-orangenem Planschbecken neben einem leicht verbogenen Sonnenschirm in Gelb. Einen Liegestuhl hätte ich auch noch, doch den brauche ich wahrscheinlich im Garten für mich. Im übrigen halten wir uns im Sommer überwiegend im Garten auf. An der Haustür werden Besucher darüber dann mithilfe des dekorativen Schildes „Wir sind im Garten“ informiert.
Ansonsten beschränke ich mich im Sommer auf meinen Fahnenmast im Vorgarten. Zum Start der Formel 1 habe ich zum Beispiel immer meine Michael-Schumacher-Flagge parat. Gewinnt St. Pauli, weht St. Pauli. Verlieren die Bayern, hisse ich einen Smiley. Während der Tour de France könnte ich die Trikolore hochziehen, doch da sich das Radrennen eine Zeit lang mit der Fußball-Europameisterschaft überschneidet, ist für mehrere Wochen dort nur Platz für Schwarz-Rot-Gold. Ich mache nur eine Ausnahme und hisse am 4. Juli, dem US-Unabhängigkeitstag, Stars and Stripes.
Wenn der Sommer vorbei ist, geht es mit Obst und Gemüse weiter. Im Herbst ist Erntedank angesagt. Dann kann ich endlich wieder meine Plastik-Möhren aus dem Keller holen und die zusammen mit Blumenkohl, Kohlrabi, Rhabarber, Äpfeln, Birnen, Radieschen, Kartoffeln, Zucchini, Kirschen, Pflaumen und Johannisbeeren auf einem großen Strohballen platzieren, den ich im Vorgarten anstelle des Planschbeckens platziere. Seit Jahren bin ich außerdem auf der Suche nach einem originalgetreuen Modell eines Mähdreschers, gerne auch zum Aufblasen, damit ich ihn besser lagern kann, doch leider bin ich noch nicht fündig geworden.
Ab Mitte November geht’s steil auf Weihnachten zu. Leuchtende Plastik-Schneemänner und tanzende Nikoläuse müssen dann her. Tannengrün, rote und braune Kerzen, Weihnachtsmannmützen, Lebkuchen aus Kunstharz, Watte, Zuckerstangen aus Schaumstoff, kleine Lichter, mittlere Leuchter, riesige Lampen, ein Paar alte Ski, ein alter Schlitten, ein alter Schneeschieber, Reisig, Rentiere, Rosinen, Leuchtschrift, ein Styropor-Elch mit Schal, Teelichter, Zimtstangen, Glaswindlichter, Glöckchen, Glitzer, Schleifen, Sternchen, Tannenzapfen, Haselnüsse. Das volle Programm. Ihr kennt das. Muss ich nicht erklären.
Und dann geht’s wieder von vorne los. Gammel-Weihnachtsbaum raus an die Straße, Valentinstag, Ostern, Formel 1, Totensonntag, Freitag der 13., Neujahrsansprache der Kanzlerin und so weiter. Und das jedes Jahr. Aber das macht doch Spaß, oder? Oder?!!
Ich muss jetzt jedenfalls wieder los. Ich habe eben entdeckt, dass mein Nachbar bereits an einem Halloweenkürbis schnitzt. Es sieht so aus, als würde er dort den Umriss eines Osterhasens hinein ritzen. Der Hund! Ich muss mir etwas einfallen lassen…
[…] ihr noch diese ekelhaften Zuckersüßigkeiten in Sternenform? Zu Ostern sahen die auch gerne mal wie kleine Spiegeleier aus. Das war eine einzige Zuckerpampe mit einer […]
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[…] hin und wieder. Besonders jetzt im Frühjahr gehen die Weibchen verstärkt auf die Jagd nach neuer Dekoration für „corpus“ und „pedes“. Schuhe bestellen und das Paket im Büro entgegen nehmen ist die […]
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[…] ihr noch diese ekelhaften Zuckersüßigkeiten in Sternenform? Zu Ostern sahen die auch gerne mal wie kleine Spiegeleier aus. Das war eine einzige Zuckerpampe mit einer […]
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[…] Weihnachten ist die Erfüllung unseres Lebens. Egal, ob wir erst an Heiligabend aufgestellt werden oder unseren Job schon seit dem ersten Advent machen: Wenn die vielen Geschenke zu unseren Füßen platziert werden und sich der Duft von Weihnachtsgebäck, Gans oder Kartoffelsalat mit Würstchen im Haus ausbreitet, wissen wir, wozu wir die letzten Jahre all die Strapazen und Entbehrungen unter freiem Himmel hingenommen haben. Wir strahlen jetzt mit voller Kraft. Wir erhellen nicht nur die Wohnzimmer, sondern auch die Herzen der Menschen, die unsere Dienste angefordert haben. Wir sind stolz. […]
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[…] zu hausen, in denen der Kühlschrank das wichtigste Möbelstück war und die Dekoration nur aus leeren Bierflaschen auf dem Fußboden bestand. Die erste eigene Wohnung war natürlich auch […]
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[…] das Angebot in meiner Arbeitgeberstadt viel größer war, als zu Hause. Andere schleppten in der Adventszeit riesige Weihnachtsbäume mit sich herum und stopften sie ins Gepäckfach, weil diese neben ihrem […]
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