Bombenstimmung auf der Autobahn (3:30)

Der Besuch einer Autobahnraststätte kann die Laune des Pkw-Fahrers erheblich steigern, vor allem wenn dieser im Winter einen langen und nervigen Stau hinter sich hat. Es ist schon etwas länger her, da war ich auf der Autobahn zwischen Berlin und Hannover unterwegs. Es herrschte Schneetreiben und der eben erwähnte Stau hatte mich nicht nur Nerven gekostet, sondern auch die Scheibenwischer an meinem Fahrzeug sowie das dazu gehörige Spülwasser an den Rand ihrer Existenz gebracht.

Missmutig steuerte ich eine der hell erleuchteten Benzin- und Proviant-Oasen an und fand mich sogleich erneut im Chaos wieder. An den Zapfsäulen herrschte das gleiche Gedränge wie an der Kasse. Glücklicherweise musste ich nicht tanken.

Ich schob mich durch die Menschenmasse zum Regal mit den Scheibenwischern. Dort hatte sich ein Pärchen um die 30 in einer innigen Diskussion verfangen.

„Weißt du denn, welche Scheibenwischer wir brauchen?“, fragte sie.

„Ja klar, das steht doch hinten auf der Packung drauf“, erwiderte er.

„Und? Welche brauchen wir?“

„Na, die für einen Golf fünf.“

„Wieso denn Golf fünf? Wir haben doch einen Golf vier.“

„Nein Schatzi, wir haben einen Golf fünf.“

„Bist du dir sicher? Ich dachte immer, wie hätten einen Golf vier.“

„Ich fahre den jetzt schon seit zwei Jahren. Ich werde doch wohl wissen müssen, dass das ein Golf fünf ist.“

„Aha. Wo ist denn da der Unterschied?“

„Also, ich erkenne das immer an den Rücklichtern.“

„Und an den Scheibenwischern, oder was?“, fragte sie gereizt.

Ich wandte mich innerlich grinsend ab. Meine Stimmung hob sich. Die für mein Auto passenden Scheibenwischer hatte ich sofort gefunden. Jetzt fehlte mir noch Spülwasser. Ich griff mir zwei Flaschen stilles Mineralwasser und stellte mich an die Warteschlange vor der Kasse an.

Auch hier fehlte es nicht an Unterhaltung. Ein leicht angespannt wirkender Mann betrat das Gebäude und richtete sein Wort an die Kassiererin.

„Können Sie mal bitte die Erdgaszapfsäule freigeben? Die geht nicht.“

Seelenruhig blickte die Kassendame auf eine Schalttafel vor sich und drückte einen Knopf.

„Müsste jetzt gehen“, sagte sie.

Der Mann eilte hinaus. Nach wenigen Augenblicken kehrte er zurück. Aus der leichten Anspannung war eine ausgewachsene Frustration geworden.

„Geht immer noch nicht“, sagte der Mann, während er verzweifelt seine Arme ausbreitete.

„Müsste aber“, erwiderte die Kassiererin nach einem erneuten Blick auf ihre Schalttafel.

„Ja, dann kommen sie doch bitte mit nach draußen, wenn sie mir nicht glauben!“

„Tut mir leid, ich kann hier jetzt nicht weg. Sie sehen ja, was hier los ist.“

Fluchend verließ der Mann das Gebäude.

Wie die Szene weiterging, konnte ich leider nicht beobachten. Ich war an der Reihe, bezahlte mein Wasser und die Scheibenwischer und kehrte zu meinem Auto zurück.

Während ich die alten Wischerblätter an meinem Fahrzeug durch die neuen ersetzte, beobachtete ich, wie ein Krankenwagen an der Tankstelle hielt. Ich war ziemlich weit entfernt, doch ich meinte zu beobachten, wie zwei Sanitäter mit einer Trage zum Kassenbereich eilten. Wenig später schoben sie die Trage wieder hinaus, auf der jetzt eine Frau um die 30 lag. Es sah so aus, als hätte sie einen verbogenen Scheibenwischer um den Hals. Sie schien bewusstlos zu sein. Neben der Trage ging ein aufgelöster Mann. Er stammelte nur: „Schatzi, es tut mir so leid…“

Ich füllte das Spülwasser nach, setzte mich wieder hinter das Steuer und startete den Wagen. Auf dem Weg zurück auf die Autobahn kam ich an der Erdgaszapfsäule vorbei. Aus den Augenwinkeln sah es so aus, als würde dort ein hysterischer Mann mit einem Sturmfeuerzeug hantieren. Kaum war ich auf die Autobahn gefahren, hörte ich einen lauten Knall hinter mir und ich glaubte, im Rückspiegel einen riesigen Feuerball gesehen zu haben. Ich versuchte, mich umzuschauen, doch da war die Raststätte bereits aus meinem Blickfeld verschwunden.

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