Freitagmittag hatte ich mich endgültig und unumstößlich dagegen entschieden, am nächsten Tag nach Dortmund zur Autogrammstunde von William Shatner zu fahren. Die ganze Woche hatte ich schon gehadert. Ich wollte mir die Gelegenheit eigentlich nicht entgehen lassen, den Kult-Schauspieler einmal live zu sehen. Doch die Reise nach Dortmund hätte mindestens sechs Stunden Autofahrt und ca. 120 Euro Eintritt und Autogrammkosten bedeutet. Und an besagtem Freitag hatte ich schon fast zwei Stunden in der Werkstatt vertrödelt, nur um meine Winterreifen wechseln zu lassen. Da wollte ich nicht auch noch den gesamten Samstag im Auto und in einer Messehalle voller Nerds verbringen. Während ich also in der Warteschlange vor der Autowerkstatt stand, fasste ich den Entschluss, den nächsten Tag zu genießen und nicht nach Dortmund zu fahren. Felsenfest.
Obwohl… Es handelte sich schließlich um den legendären William Shatner. Captain Kirk. Der Inbegriff von Star Trek. Mittlerweile 87 Jahre alt. Es war fraglich, wie viele Gelegenheiten es noch gab, ihn live in Deutschland zu erleben.
Ich musste an weitere verpasste Chancen in der Vergangenheit denken. Vor rund sieben Jahren hatte ich es nicht geschafft, Bud Spencer bei einer Autogrammstunde in Bremen zu sehen. Ich hatte bereits in der Warteschlange vor der Buchhandlung gestanden, doch als ausgerufen wurde, dass Bud nur seine aktuelle Biografie signieren würde, zerstreute sich die Menge schnell wieder und auch ich musste, ohne einen Blick auf diese Legende werfen zu können, wieder von dannen ziehen. Das Buch war nämlich überall ausverkauft.
Auch Queen Elisabeth II. hatte ich vor drei Jahren nicht gesehen, als sie beim Besuch der Gedenkstätte Bergen Belsen ausgerechnet in meiner Heimatstadt gelandet war und anschließend mit ihrer Limousine durch den Landkreis chauffiert wurde.
Bud Spencer verpasst, die Queen verpasst – da musste ich die Gelegenheit bei Captain Kirk doch eigentlich ergreifen, oder? Und das tat ich dann auch.
Nachdem ich von der Werkstatt zurückgekehrt war und meinen restlichen Arbeitstag erfolgreich zu Ende gebracht hatte, bestellte ich mir abends um 21 Uhr die entsprechenden Online-Tickets: einmal die normale Eintrittskarte für die Star-Trek-Convention „Destination Star Trek“ in den Dortmunder Westfalenhallen und zusätzlich ein Ticket für einen Fototermin mit William Shatner. Ich hatte mich dann doch für das Foto und nicht für das Autogramm entschieden, das übrigens nochmal genau so viel gekostet hätte.
Nachdem ich meine Tickets ausgedruckt hatte, war ich mit der Entscheidung sehr zufrieden. Am nächsten Tag sollte ich also für ein paar Stunden zum Trekkie werden.
Am Samstag meinte es die Autobahn gut mit mir und ich brauchte nur die veranschlagten drei Stunden für den Weg nach Dortmund. Nach meiner Ankunft hatte ich noch etwas Zeit bis zum Fototermin mit Will Shatner, also machte ich mir erst einmal ein Bild von dieser Veranstaltung. Die Organisatoren hatten offenbar mit einem größeren Andrang gerechnet, denn neben der Messehalle mit der eigentlichen Convention war eine komplette weitere Halle als Eingangsbereich vorgesehen. Als ich diese nun betrat, erwartete mich allerdings gähnende Leere. Hätte ich High Heels getragen, hätte man meinen Weg von der Eingangstür bis zur Ticketkontrolle akustisch genauestens nachverfolgen können. In einer Ecke zirpte sogar eine Grille, glaube ich.
In der Haupthalle war es zwar etwas voller, doch die großzügig bemessenen Gänge zwischen den Ständen und Bühnen waren auch hier sehr optimistisch geplant worden. Ich hatte mit mehr Gedränge gerechnet, zumal der Fototermin mit Shatner nur noch eineinhalb Stunden entfernt war.
Alles in allem war es aber ganz nett. Zwischen den beiden Hauptbühnen, auf denen unterschiedliche Talks und Interviews mit allen möglichen Star-Trek-Darstellern stattfanden, waren Verkaufsstände, Ausstellungsstücke und weitere Fotogelegenheiten aufgebaut. Ich hätte mich zum Beispiel auf der originalgetreu nachgebauten Brücke der allerersten Star-Trek-Serie, eben der mit Willi Shatner, oder auf der allerneusten, computergenerierten Brücke der aktuellen Serie fotografieren lassen können. Außerdem hätte ich mit gut zwei dutzend weiteren Schauspielern Fotos machen und mir Autogramme holen können, doch war das alles mit Extrakosten verbunden und wenn ich alles mitgemacht hätte, was ging, dann hätte ich die nächste Rate für unseren Hauskredit wahrscheinlich aussetzen müssen. So beschränkte ich mich darauf, am langen Autogramme-Tisch entlangzugehen und nur einen Blick auf die Darsteller zu werfen.
Weil die Serie „Deep Space Nine“ gerade ihren 25. Geburtstag feierte, waren aus dieser Produktion besonders viele Stars zu Gast. Kurz fühlte ich mich in meine Teenie-Zeit zurückversetzt, in der ich mich regelmäßig mit Ferengi, Bajoranern und Cardassianern amüsierte. Bei Nichelle Nichols (85, spielte Lt. Uhura in der Originalserie) und Walter Koenig (81, spielte Commander Chekov in der Originalserie) musste ich kurz überlegen, ob ich jeweils 40 Euro für ein Autogramm berappen wollte, entschied mich dann aber dagegen. Hätte ich einmal angefangen, hätte ich wahrscheinlich so schnell nicht wieder aufgehört.
Der anvisierte Fototermin mit William Shatner war ziemlich aufregend, aber auch ziemlich schnell wieder vorbei. Die Warteschlange, die sich zu Beginn durch die halbe Halle schlängelte, wurde zunächst auf einem swimmingpoolgroßen Feld zusammenkomprimiert und anschließend in Rekordzeit durch die Fotoecke gelotst, in der der Meister auf einem Barhocker saß. Nach dem Startschuss bewegte sich die Menge geordnet durch einen vorgegebenen Parcours. Am Eingang wurde als erstes das Ticket kontrolliert. Einen Schritt weiter mussten alle Taschen abgegeben werden. Nach einem weiteren Schritt harrte ich an einer Haltelinie aus, bis die Ordnerin mir mit einem Wink zu verstehen gab, dass ich einen weiteren Schritt vor- und damit neben den sitzenden Shatner treten durfte.
„Hello. How are you?“ Knips. „Thank you!“ Einen Schritt weiter. Vorbei. Das war es schon?
Zwei Meter vom Meister entfernt warf ich einen Blick zurück, um mich davon zu überzeugen, dass ich soeben wirklich ein Foto mit dem berühmten Captain Kirk gemacht hatte.
„Ja, das ist wirklich Mr. Shatner“, sagte die nächste Ordnerin zu mir, während sie mich nachdrücklich weiterschob.
„Ach, das ist dieser Shatner?“, antwortete ich mit einem lahmen Scherz. Doch die Dame schaute tatsächlich irritiert zum Star, als müsste sie sich selbst davon überzeugen, dass er es wirklich ist.
Nach dem nächsten Schritt bekam ich mein Foto und meine Tasche in die Hand gedrückt. Beim Hinausgehen drehte ich mich noch einmal um, doch es waren bereits zu viele Menschen zwischen mir und dem Captain.
Das war’s also. Die ganze Aktion hatte für mich nicht länger als zwei Minuten gedauert. Die geschätzten 200 Teilnehmer wurden in weniger als 30 Minuten durch die Fotoecke geschleust. Wenn man bedenkt, dass jeder von ihnen 75 Euro für das Foto bezahlt hat, läppert sich da in kürzester Zeit ein ganz schöner Umsatz zusammen.
Für mich hatte es sich gelohnt. Um runterzukommen, kaufte ich mir eine Schutzhülle und einen Bilderrahmen für mein Foto und schlenderte durch die Gänge. Ich warf erneut einen Blick auf die Schauspieler am Autogramme-Tisch, machte ein paar illegale Fotos und mich danach aus dem Staub.
Und so, liebes Tagebuch, ging dieser aufregende Tag zu Ende. Mein Star-Trek-T-Shirt, das ich extra eingepackt hatte, habe ich übrigens nicht angezogen, denn nach einem Blick auf die teils aufwendigen Klingonen-Kostüme einiger Besucher vor Ort, wollte ich es dann doch nicht übertreiben.
Ich bin mit meinem spontanen Ausflug in die Trekkie-Nerd-Fangirl-Welt aber sehr zufrieden. Jetzt bin ich heiß. Was kommt als nächstes? Otto Waalkes ist momentan auf Lesereise. Im Sommer will Terence Hill nach Deutschland kommen. Mal sehen, welche Legende ich noch so abgreifen kann.
[…] Ich habe William Shatner getroffen. […]
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[…] in jenem Jahr auch noch von meinem Arbeitgeber verabschieden. Ich fahre weiterhin viel Bahn, treffe William Shatner und verpasse meinem Blog ein neues Design. Außerdem mache ich Urlaub im Strandkorb und fliege […]
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