Sieben Sätze, mit denen ich als Krebspatient nicht klarkomme

Am heutigen Weltkrebstag (4. Februar) soll das Thema Krebs international in den Vordergrund rücken. Mir persönlich ist unter anderem der rücksichtsvolle Umgang mit Krebspatienten ein großes Anliegen. Habt ihr an Krebs erkrankte Menschen in eurem Umfeld? Im Freundes-, Familien- oder Bekanntenkreis? Und ihr wisst nicht genau, wie ihr damit umgehen sollt? Was ihr denen sagen sollt? Zugegeben: Das ist schwer. Und oft ist weniger mehr. Jeder Mensch ist anders und ein Patentrezept gibt es leider nicht. Rücksichtnahme und Empathie sind sehr wichtig. Hier sind ein paar Sätze, die ihr zu einem Krebspatienten auf gar keinen Fall sagen solltet:

„Du hast dir ja nicht das Bein gebrochen“

Sollte heißen: Du kannst noch laufen, sitzen und schreiben. Also kannst du auch wieder arbeiten. Oberflächlich gesehen stimmt das. Doch es ist leider, wie so oft bei Krebs, viel zu kurz gedacht. Nachdem ich diesen Satz gehört hatte, dachte ich: Ich hätte mir liebend gerne einfach nur das Bein gebrochen! Lieber ein paar Wochen Gips oder Schiene, als fünf Jahre Nachsorge. Lieber eine Operation am Knochen, als drei Operationen an Penis und Leiste. Lieber ein paar Wochen nicht laufen können, als jahrelang Angst vor dem Krebs zu haben. Lieber nie wieder laufen können, als an Krebs sterben!

„Du musst auch an deine Angehörigen denken“

Krebs trifft niemals nur eine Person allein. Da sind immer die Familie, Freunde und Bekannte, die mitleiden, mithelfen und einen Teil der Last schultern. Und im schlimmsten Fall am Ende trauern. Ich selbst weiß das nur allzu gut, bin ich doch nicht nur an Krebs erkrankt gewesen, sondern habe auch meinen Vater vor vielen Jahren an den Lungenkrebs verloren. Aber: Der Schwenk auf die Angehörigen geschieht mir in letzter Zeit oft viel zu früh. Das Leiden des Patienten ist kaum ausreichend thematisiert, da wird auch schon die Familie in den Fokus gerückt. Versteht mich nicht falsch: Wenn der Ehemann und Vater plötzlich an Krebs stirbt, ist das eine unbeschreibliche, herzzerreißende Tragödie. Kinder werden zu Halbwaisen, Frauen zu Witwen. Familien brechen auseinander. Die Trauer scheint nie enden zu wollen.

Doch wie muss das ganze damals für meinen Vater gewesen sein? Sechs Jahre vor der Rente an Krebs zu sterben. Nicht erleben zu dürfen, wie die Söhne erwachsen werden. Welchen Beruf sie ergreifen. Wie sie selbst Familien gründen. Vielleicht bin ich voreingenommen. Oder gar egoistisch. Aber ich bin der Meinung, dass die meiste Aufmerksamkeit dem Sterbenden zuteil werden sollte, solange er noch lebt.

„Schön, dass es dir besser geht!“

Ähm, sorry? Wer sagt denn, dass es mir besser geht? Nur weil ich offen mit meiner Krebserkrankung umgehe und die Einzelheiten meiner Geschichte ins Internet stelle, heißt das nicht, dass ich gesund bin. An den Tagen, an denen ich schreibe und veröffentliche, geht es mir oft gut. An vielen anderen nicht. Wer ehrlich wissen möchte, wie es mir geht, der kann mich einfach ganz ehrlich fragen. Und ich werde ehrlich antworten. Vielleicht geht es mir an dem Tag besser. Vielleicht aber auch nicht. Und auch damit sollte der Fragende dann umgehen können.

„Du hast dich ganz schön verändert“

Das ist richtig. Schön, dass du es bemerkt hast. Wenn du jetzt noch den vorwurfsvollen Ton ablegen könntest, wäre das ganz wunderbar.

„Dich muss man ja behandeln, wie ein rohes Ei!“

Siehe vorheriger Satz, ähnliche Antwort. Wenn es ein Problem für dich ist, ab jetzt auf meine Gefühle Rücksicht zu nehmen, dann erlöse ich dich gerne von deiner Qual und lasse unseren Kontakt lieber locker an der langen Leine baumeln, bis er im Nebel verschwindet.

„Stell dich nicht so an!“

Doch. Ich stell mich an. Ich hatte Krebs und bin durch die Hölle gegangen. Ich stell mich an. Ich musste mich mit dem Tod beschäftigen. Ich hatte Angst. Und ich hatte Stress, körperlich und seelisch, solch einen Stress möchte ich nie wieder haben. Bis an mein Lebensende ist mein Bedarf an Stress gedeckt. Ich stell mich sowas von an! Ich bin komisch, ich bin anders und ich stell mich an. Ich habe jedes Recht dazu. Komisch wäre es, wenn ich nicht komisch wäre.

„Du musst dich mal wieder betrinken, dann geht’s dir besser“

Alkohol als Problemlöser? Sorry, nein, das hat noch nie funktioniert. Alkohol verstärkt immer die jeweilige Gemütslage. Er lässt einen vielleicht kurz vergessen, doch nach dem Rausch folgt der Kater und dann stürzen die alten Probleme mit mehr Wucht als vorher wieder auf einen herunter. Ich habe nichts gegen ausschweifende Partys zu gutgelaunten Anlässen. Nicht ohne Grund war ich im Studentenwohnheim damals jahrelang fester Bestandteil des Barteams. Aber in Zeiten des Schmerzes zur Flasche zu greifen, kann lebensgefährlich sein.

Ich weiß, manchmal sieht es so aus, als könne man beim Umgang mit Krebspatienten nur alles falsch machen. Doch zu wissen, was man nicht sagen sollte, ist schon mal ein Anfang. Seid behutsam und vorsichtig. Versucht, euch in den anderen hineinzuversetzen. Und seid nicht aufgeregter als die Person selbst. Für den Krebspatienten sind die Erfahrungen und Gefühle auch etwas ganz neues. Und er oder sie hat sich dieses Schicksal nicht ausgesucht und muss damit rund um die Uhr klarkommen. Wenn euch etwas an der an Krebs erkrankten Person in eurem Umfeld liegt, dann bietet vielleicht eure Hilfe an, ohne aufdringlich zu sein und sie bevormunden zu wollen. Manchmal ist es einfach nur schön, zu wissen, dass jemand da sein würde, wenn man wirklich etwas brauchen sollte.

Ein Gedanke zu „Sieben Sätze, mit denen ich als Krebspatient nicht klarkomme

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