„It’s our Honeymoon!“ – Ausflug mit Sheriff, Drogenspürhund und Gott (8:00)

In eine Polizeikontrolle zu geraten und gefilzt zu werden, ist schon in Deutschland kein erstrebenswerter Zeitvertreib. In den USA in eine Polizeikontrolle zu geraten und das auch noch in der Nähe der mexikanischen Grenze, ist allerdings noch viel aufregender. Vor allem, wenn man sich als deutscher Tourist dabei grimmigen Sheriffs und eifrigen Drogenspürhunden gegenüber sieht. Doch genau das ist meiner Frau und mir bei unserer Reise durch die USA passiert.

Meine Frau war zu dem Zeitpunkt erst seit wenigen Tagen meine Frau. Unser 2500-Meilen-Roadtrip durch Kalifornien, Nevada und Arizona kann getrost als Flitterwochen bezeichnet werden. Wir hatten uns viel vorgenommen. Mit dem Mietwagen wollten wir von Los Angeles über Las Vegas, Grand Canyon, Death Valley und Yosemite Nationalpark nach San Francisco fahren.

Für Los Angeles hatten wir mehrere Tage eingeplant. Wir wollten einerseits die Metropole inklusive Universal Studios, Walk of Fame und Hollywood Sign erleben und sie andererseits als Basis für Ausflüge ins Umland nutzen. Einer dieser Ausflüge sollte uns zum Salvation Mountain führen, ein von einem exzentrischen Christen (oder christlichen Exzentriker) teilweise selbst errichteter und bunt bemalter Berg mitten in der Wüste.

Kenntnis von dieser Sehenswürdigkeit hatten wir eigentlich nur, weil Heidi Klum mit ihren Topmodels ein paar Jahre vorher dort einmal Station gemacht hatte. Und als eingefleischte Topmodels-Fans der ersten Stunde, war ein Besuch für uns dort natürlich Pflicht. Die drei Stunden Fahrzeit quer durch die Wüste war für amerikanische Verhältnisse ein Klacks und da ich ein Fan von Sehenswürdigkeiten bin, die nicht jeder gleich auf dem Schirm hat, war der Trip schnell beschlossene Sache.

Auf dem Hinweg waren wir fasziniert von der Weite der kalifornischen Wüste. Einmal aus Los Angeles heraus, breitete sich vor uns eine endlos erscheinende Kargheit aus, durch die sich der Highway schnitt. Hier und da wuchsen riesige Windparks aus der Erde, an einer Stelle war ein gigantisches, UFO-gleiches Sonnenkraftwerk errichtet worden und die einzigen Lebenszeichen zogen in Form bulliger Trucks und Pick-Ups mit blubbernden Motoren an uns vorbei.

Je näher wir unserem Ziel kamen, desto schmaler wurden die Straßen. Wir passierten einen Kontrollpunkt der Polizei auf der Gegenfahrbahn, dachten uns aber nichts dabei.

Nachdem wir von asphaltierten Interstates und Highways auf eine staubige Wüstenstraße gewechselt waren, hatten wir unser Ziel bald erreicht. Bei 35 Grad im Schatten umrundeten und bestiegen wir den Salvation Mountain, machten Fotos und unterhielten uns mit den Volunteers, die sich ehrenamtlich um das Kunstwerk seines vor wenigen Jahren verstorbenen Schöpfers kümmerten.

Der neue Stefan Salvation Mountain gelber Weg
„Bitte auf dem gelben Weg bleiben“ heißt es auf dem Salvation Mountain in Kalifornien.

Der Salvation Mountain ist eines dieser Kunstwerke, die sich ständig verändern und deshalb niemals fertig werden. Sein Schöpfer hatte sich nicht damit begnügt, einfach nur die vorhandenen Felsen mit bunter Farbe und christlichen Botschaften zu verzieren. Als ihm der Berg irgendwann ausging, erweiterte er ihn einfach. Mit Strohballen, Autoreifen und Drahtkonstruktionen schuf er neue Gipfel und Höhlen, verputzte anschließend die Oberflächen und malte sie ebenfalls knallbunt an.

Ohne die Hilfe der Volunteers würde das Werk heute wahrscheinlich nicht mehr existieren oder sich zumindest in einem jämmerlichen Zustand befinden. Vor allem das Wetter macht dem Salvation Mountain zu schaffen. Die hohen Temperaturen, die Sonneneinstrahlung sowie Sand und Stürme sind die größten Probleme. Mit der Zeit verblasst die Farbe und hin und wieder stürzen Teile der Konstruktion ein. Regelmäßig werden Renovierungspartys veranstaltet, bei denen freiwillige Helfer den Berg mit gespendeter Farbe wieder auf Vordermann bringen. Es ist jedes Mal ein Event, bei dem Menschen jeden Alters aus der ganzen Welt mithelfen. Es ist eine Mischung aus Gottesdienst, Hippie-Happening und Kunstperformance.

Außer uns war an diesem Nachmittag noch eine dreiköpfige Ausflugsgruppe vor Ort und wir standen für ein paar Minuten zusammen im Schatten und führten typisch amerikanischen Smalltalk, bei dem man für fünf Minuten zu besten Freunden wird, bevor man sich für immer verabschiedet. Natürlich gaben wir unsere Heidi-Klum-Geschichte zu besten. Im Gegenzug erzählte uns ein Volunteer, dass die Asche des Künstlers bei einer der Renovierungspartys mit Farbe vermischt und auf dem Berg vermalt wurde. Wir fanden das gruselig und romantisch zugleich.

Dass wir keine Spende für die freiwilligen Helfer dagelassen haben, wurmt mich bis heute. Aber wahrscheinlich war es die Hitze, die mich das vergessen ließ. Zurück am Auto erfrischten wir uns mit kochendem Wasser aus der Plastikflasche. Wir hatten es die ganze Zeit im Auto gelassen, was sich als keine gute Idee erwies. Auch bei 35 Grad im Schatten empfiehlt es sich, Wasserflaschen mit nach draußen zu nehmen, denn im Innern eines parkenden Autos können sich in der Wüste schnell 60 Grad und mehr entwickeln.

Der Weg zurück nach LA war nicht mehr ganz so faszinierend. An der Wüste, der Einsamkeit und den dicken Trucks hatten wir uns schnell satt gesehen. Plötzlich tauchte die Polizeistation wieder vor uns auf. Da wir kein sicherheitsrelevantes Anliegen hatten, wollten wir sie eigentlich umfahren, doch Absperrungen und Fahrbahnbegrenzungen verhinderten das. So mussten wir direkt in den Kontrollpunkt fahren. Meine Selbstsicherheit verschwand, als mich ein grimmig dreinblickender Beamter mit erhobener Hand zum Halten aufforderte. Er trat ans Fenster, ich ließ die Scheibe herunter.

„Passports please“, sagte er.

„Ähm, we are from Germany and our Passports are in the Hotel in Los Angeles. We only have our ID-Cards“, antwortete ich, wobei ich versuchte, meine Aufregung zu verbergen.

Während sich der Beamte unsere deutschen Personalausweise anschaute, machte ein zweiter Polizist mit einem Hund die Runde um unser Auto. Wahrscheinlich ein Drogenspürhund. Das mulmige Gefühl wuchs, obwohl ich nichts zu verbergen hatte.

„No passports?“

„No sorry, but we didn’t leave the United States“, sagte ich, wissend, dass in gut 100 Kilometern Entfernung die amerikanisch-mexikanische Grenze verlief. Was würde jetzt passieren? Müssten wir hierbleiben, bis unsere Identität geklärt war? Würde das Auto auf den Kopf gestellt auf der Suche nach Drogen oder illegalen Einwanderern? Müsste ich meine Frau als Pfand hierlassen, bis ich unsere Pässe aus dem Hotel in Los Angeles geholt hatte? Vielleicht würde irgendwas schiefgehen und meine Frau müsste sich durch die Wüste bis nach Mexiko durchschlagen. Und um von dort wieder zurück nach Deutschland zu kommen, müsste sie Drogen verkaufen. Oder sich auf einen LKW mit illegalen Einwanderern schmuggeln. Amerika! Wieso stellst du unsere Ehe gleich zu Beginn auf eine derart harte Probe?!

Der Beamte am Autofenster machte weiterhin einen grimmigen Eindruck. Sein Kollege gab ihm die Rückmeldung, dass sein Partner mit der kalten Schnauze nichts Verdächtiges gefunden hatte. Offenbar waren beide unschlüssig, wie es jetzt weitergehen sollte. Ich fühlte mich immer mehr wie ein kleiner Junge, der nichts angestellt, aber trotzdem eine Strafe zu erwarten hatte.

Plötzlich beugte sich meine Frau an mir vorbei und sagte mit einem zuckersüßen Lächeln: „It’s our Honeymoon!“

Jetzt musste sich der Beamte ein Lächeln sichtlich verkneifen. Er konnte seine knallharte Fassade nur mit Mühe aufrechterhalten, als er uns schließlich mit einem Wink die Erlaubnis zur Weiterfahrt gab. Erleichtert gab ich Gas.

Der Rest des Weges verlief ohne Zwischenfälle. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn wir tatsächlich noch kurz nach Mexiko rübergefahren wären, was wir noch einen Tag zuvor überlegt hatten. Vielleicht wären wir sogar über die Grenze gekommen. Aber ohne Reisepässe hätte ich diese Geschichte wahrscheinlich in einer mexikanischen Gefängniszelle schreiben müssen.

Den nächsten Tag verbrachten wir ganz entspannt in den Universal Studios in Los Angeles. Eigentlich wollten wir Disneyland besuchen, doch leider hatten wir wieder unsere Reisepässe nicht dabei und wollten weitere Komplikationen bei der Einreise in dieses Land vermeiden.

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