Ich hatte mal einen Ferienjob, da musste ich Autoteile in Kisten verpacken. Es waren die letzten richtigen Sommerferien meines Lebens. Nach dem Abitur und vor der Bundeswehr. Jeden Morgen um sechs Uhr ging es los. Der Arbeitsplatz befand sich in einem Dorf in meinem Landkreis. In aller Herrgottsfrühe stieg ich ins Auto, sammelte auf dem Weg noch einen Kumpel ein und dann standen wir Punkt sechs Uhr dort auf der Matte.
Arbeiten mussten wir in einer weitläufigen Halle. Jeden Tag kamen Lkws mit großen Pappkartons, in denen sich die Autoteile befanden. Ich erinnere mich an Zahnräder und geformte Blechteile. Die Teile mussten wir dann aus den Pappkisten herausnehmen und nach einer bestimmten Vorgabe in Metallkisten umpacken. Das waren faltbare, stapelbare, gut einen Quadratmeter große Metallcontainer, die wir vor dem Verpacken erst einmal ausklappen und aufbauen mussten. Eines Tages veranstalteten wir ein Wettrennen, wer zuerst 20 Metallcontainer der Reihe nach aufbauen konnte. Es war ein unheimliches Geschepper, das durch die ganze Halle dröhnte. Mir war das schnell unangenehm und ich ließ meinen Kumpel gewinnen.
Blähungen durch Apfelschorle
Mitten in der Halle stand ein roter, rechteckiger Kasten, der als Pausenraum diente und der mit Toiletten ausgestattet war. In diesem Pausenraum stellte ich jeden Tag meine Kühlbox mit meinem Mittagessen und meiner großen Flasche Apfelschorle ab. Ich trank den ganzen Tag Apfelschorle und merkte dabei zum ersten Mal, dass ich davon ganz gehörige Blähungen bekam. Ich trank also den ganze Tag Apfelschorle und furzte den ganzen Arbeitstag in der Halle vor mich hin. Irgendwann drehte sich mein Kumpel verstohlen zu mir um und sagte leise:
„Boah, ich glaube, der Kollege hier neben uns lässt die ganze Zeit einen fahren.“
„Ähm, nö, ich glaube, das bin ich“, antwortete ich. Er grinste.
Wir beide waren nicht die einzigen Schüler, die hier jobbten. Wir waren bestimmt ein halbes Dutzend, das sich bald gut verstand und die Pausen gemeinsam verbrachte. Bei schönem Wetter auch gerne an der frischen Luft. Regelmäßig überzogen wir die Pausenzeiten und wurden von den Vorgesetzten in die Halle zurückgepfiffen. Zwischendurch brachten wir alle gerne mal Altpapier zum Container am anderen Ende des Firmengeländes. Wir machten es uns auf alten Pappkartons bequem und genossen die Sonne. Bis wir auch hierbei wieder erwischt wurden.
Einer von uns konnte Didgeridoo spielen. Einmal in der Mittagspause setzte er sich mit seinem Instrument unter die Überdachung des Eingangsbereichs und spielte. Die Akustik war phänomenal. Ich fand das ziemlich cool. Die Mitarbeiter in den Büros darüber weniger. Es hagelte Beschwerden. Er musste damit aufhören.
Das Leben der Staplerfahrer
Während dieses Ferienjobs machte ich mit einem speziellen Völkchen ganz besondere Bekanntschaft: Den Gabelstaplerfahrern. In den wenigen Wochen, in denen ich dort versuchte, mein Sparkonto aufzubessern, verursachten diese Kollegen so viele Unfälle, die sich am Ende sicherlich zu einem fünfstelligen Betrag aufsummierten.
Ich fange mal klein an. Eines Tages verrichtete ich ganz normal meinen Dienst an der Kiste, da riss mich ein gewaltiges Scheppern aus der Konzentration. Aus den Augenwinkeln hatte ich noch gesehen, wie ein Staplerfahrer mit hoch ausgefahrener Gabel quer durch die Halle bretterte. Ein paar Meter weiter war dieser Kollege mit seiner Gabel dann an der Lüftungsanlage unter der Decke hängengeblieben. Diese hing nun verbeult und schief in den Angeln und war zu nichts mehr zu gebrauchen. Der Stapler hatte nur ein paar Kratzer.
Lustig ging es weiter. Draußen vor dem Tor der Firma war es nicht weit bis zur nächsten Tankstelle. In der Mittagspause pilgerte die halbe Belegschaft dorthin, um sich Getränke, Snacks oder Eis zu besorgen, so auch die Staplerfahrer. Doch das Hybridgebilde Mensch-Gabelstapler musste sich am Werkstor trennen, weil die Stapler keine Straßenzulassung hatten. Die erfahrenen Staplerfahrer fuhren so nah es ging an die Geländegrenze und sicherten ihr Fahrzeug gegen Wegrollen, indem sie die Gabel leicht absenkten und ein paar Zentimeter in die Rasenfläche neben der Einfahrt eingruben. Einer der Kollegen war allerdings so übermotiviert, dass er die Gabel fasst bis zum Anschlag ins Erdreich rammte und sie aus eigener Kraft nicht mehr herausziehen konnte. Nach der Mittagspause musste er mithilfe eines weiteren Staplers und eines Abschleppseils herausgezogen werden.
Die Unachtsamkeit der Staplerfahrer konnte aber auch gefährlich werden. Eines Tages donnerte ein Kollege mit seinem vollbeladenen Gefährt so heftig die Halleninnenwand, dass ein großes Betonelement herausbrach und draußen auf der anderen Seite herunterfiel. Die Mittagspause war gerade erst zu Ende gegangen und dort, wo das fünf Meter breite und zwei Meter hohe Betonelement auf den Boden stürzte, hatten vor wenigen Minuten noch zwei Kollegen gesessen. Haarscharf waren wir an einer Katastrophe vorbeigeschrammt.
Frustbier nach Rausschmiss
Unser Engagement bei der Firma ging dann irgendwann mit einem Paukenschlag zu Ende. Wir hatten vielleicht noch eine Woche oder so vor uns, da wurden drei von uns Schülern zum Chef beordert und ohne Vorwarnung rausgeworfen. Wir hätten zu oft die Pausenzeiten überzogen und überhaupt zu viel herumgetrödelt. Ich machte meinem Ärger kurz Luft, was aber auch nichts an der Lage ändern sollte. Hinterher waren wir uns einig, dass der Rausschmiss nur ein Vorwand war, weil die Auftragslage momentan nicht so gut aussah.
Wir verließen umgehend das Werkgelände und holten uns zur Feier des Tages ein Bier von der Tankstelle. Es war erst neun Uhr morgens, doch das war uns egal. Anschließend stiegen wir wieder ins Auto, drehten den Reggea auf und genossen des Rest des Sommers.
Im Keller habe ich immer noch die Arbeitshose, die mir damals gestellt worden ist. Eigentlich hätte ich sie nach unserem Rausschmiss zurückgeben müssen. Habe ich aber nicht. Ätsch!
Bild: Bruce Emmerling/Pixabay