Die Pampers-Verschwörung (5:30)

Im Sandkasten hinter der Kita war die Hölle los, wie immer um diese Uhrzeit. Kurz vor Beginn der Konferenz hatte noch kaum jemand seinen Platz gefunden. Auf kleinen Füßen tapsten die Teilnehmer kreuz und quer durch den Sand, stolperten über bunte Förmchen und plumpsten hier und da auf den Hintern. Kevin, der vier Jahre alte Vorsitzende der Spielgruppe, schaute sich das chaotische Treiben noch einen Moment lang an, dann mahnte er die Gruppe schließlich zur Ordnung.

„So, Guten Morgen und Ruhe bitte, bitte alle Platz nehmen, wir haben nicht viel Zeit!“, rief er und schlagartig legte sich das Getümmel. Einige Teilnehmer hatten noch grüne Plastikschäufelchen oder gelbe Eimerchen in der Hand, alle saßen aber nun auf dem Hosenboden und blickten mit großen Augen nach vorne zu Kevin.

„Eine weitere Woche unseres Projektes ,Elternwahnsinn‘ ist vergangen und ich möchte gerne Bilanz ziehen“, eröffnete Kevin die Sitzung. „Ich hoffe auf interessante Berichte. Wer möchte anfangen?“

In der ersten Reihe erhob sich der zweijährige Marvin und ging nach vorne.

„Guten Morgen zusammen“, sagte er. „Also ich habe die ganze Woche ein riesen Theater beim Windelwechsel gemacht. Mal wollte ich die alte nicht ausziehen, mal keine neue anziehen und einmal habe ich mir die alte Windel sogar wieder aus dem Mülleimer geholt und bin damit durchs Wohnzimmer gerannt. Ihr hättet mal meine Eltern sehen sollen, die waren am Rande der Verzweiflung!“

Unter tosendem Applaus nahm der Zweijährige wieder Platz.

„Danke Marvin, das hast du toll umgesetzt“, sagte Kevin. „Der nächste Bericht bitte.“

Die drei Jahre und acht Monate alte Cinderella kam nach vorn. Das kleine blonde Mädchen trug ein rosafarbenes Blümchenkleid und hatte eine ebenfalls rosafarbene Spange im Haar.

„Also wir sind am Wochenende spazieren gegangen“, sagte sie. „Am Anfang bin ich noch überall mit hin gekommen, aber irgendwann wurde mir das zu langweilig. An einer Straßenkreuzung habe ich mich einfach hingesetzt und wollte nicht weiter. Ich habe einen Terz gemacht, das könnt ihr euch nicht vorstellen! Aus vollem Hals habe ich geschrien, auch den ganzen Weg zurück, den mich meine Mama tragen musste. Und erst kurz vor unserem Haus ist ihr eingefallen, dass sie mir ja ein Eis anbieten könnte, damit ich wieder lieb bin. Das könnte nächstes Mal ruhig schneller gehen, aber so war es auch ok.“

Wieder Applaus und Cinderella nahm wieder Platz.

„Danke, meine Liebe“, sagte Kevin, „Schön, dass du unsere Tipps von letzter Woche umgesetzt hast. Weiter so!“

Als nächstes bahnte sich Justin seinen Weg auf die Bühne.

„Ich habe die Tage mal etwas neues ausprobiert“, erzählte er. „Mein Papa hat letztens Tagesschau geguckt und da habe ich mir einfach die Fernbedienung geschnappt und da wie wild drauf rum gedrückt. Mein Papa ist natürlich hinterher und hat versucht, mir das Ding wieder aus der Hand zu reißen. Da habe ich es dem Hund auf den Kopf gehauen und plötzlich lief Billard im Fernsehen. Keine Ahnung, was das für ein Sport sein soll, aber das wollte ich sehen. Mein Papa wollte natürlich wieder zur Tagesschau zurück, doch ich habe solange gezetert und gestrampelt, bis er wieder Billard angemacht hat. Und das mussten wir dann schauen. Dreieinhalb Stunden lang. Bis ich endlich eingeschlafen war.“

„Wow, das war wirklich toll, vielen Dank!“, moderierte Kevin seinen Kumpel Justin ab, der winkend und Kusshände verteilend den Rednerbereich verließ.

„Liebe Leute“, sagte Kevin, „Ich bin schwer begeistert! Wir haben ja diese Woche echt große Fortschritte gemacht! Was hat denn die Projektgruppe ,Essen‘ zu vermelden?“

Hinten rechts erhoben sich drei kleine Mädchen. Das in der Mitte war offenbar die Wortführerin.

„Wir haben uns in dieser Woche darauf konzentriert, unser Essen immer wieder vom Tisch zu schmeißen. Vor allem bei Brei und ähnlich sämigen Produkten ist die Wirkung famos“, sagte sie. „Carola hat außerdem ihre Studie zum Thema ,Kotzen im Auto – Was fördert den Brechreiz?‘ weitergeführt. Mit einem Abschlussbericht sollte noch in diesem Jahr zu rechnen sein. Nächste Woche wollen wir erforschen, mit welchen Lebensmitteln man am besten Wände und T-Shirts bemalen kann.“

„Sehr schön“, lobte Kevin. „Das hört sich gut an. Gibt es weitere Ideen für nächste Woche? Benötigt noch jemand Inspiration? Ja bitte, Leon?“

Leon stand auf und sagte: „Wenn ihr was neues braucht, probiert unbedingt mal das mit der Hose aus! Weigert euch morgens einfach, eine neue Hose anzuziehen. Kreischt und zappelt dabei ruhig richtig schön rum. Das macht die wahnsinnig! Echt irre! Gewonnen habt ihr, wenn sie euch im Schlafanzug in die Kita bringen.“

„Danke für die Idee“, sagte Kevin. „Von meiner Seite war es das für heute. Ich wünsche euch viel Erfolg bei all euren Projekten. Ich zähle auf euch!“

Damit war die Sitzung im Sandkasten beendet und alle Kinder wandten sich wieder dem Tagesgeschehen zu. Zwei Jungen hatten im Laufe des Tages die spontane Idee, ihre Schuhe zu tauschen. An anderer Stelle wurden sich die neuesten Schimpfwörter beigebracht, während nebenan ein paar Experimente mit Schlamm gemacht wurden. Ein ganz normaler Tag in der Kita.

 

Bildquelle: Pixabay

3 Gedanken zu „Die Pampers-Verschwörung (5:30)

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..