Seit gut einer Woche ist die Fußballweltmeisterschaft zu Ende – und ich vermisse sie kein Stück. Aus meiner Sicht war sie absolut katastrophal. Nicht nur, dass die deutsche Mannschaft nach der Gruppenphase und andere Favoriten wie Argentinien, Portugal und Spanien nach dem Achtelfinale nicht mehr dabei waren. Auch von Island hatte ich mehr erwartet. Und auch meine Teilnahme am WM-Tippspiel verlief in diesem Jahr alles andere als erfreulich.
Dabei kann ich Fußball durchaus etwas abgewinnen. Zum ernsthaften Fußballfan wurde ich im Sommer 1990, kurz vor Beginn der damaligen WM. Zusammen mit meiner Mutter befand ich mich eines Tages in der Celler Fußgängerzone, in der es damals noch das Spielwarengeschäft „Renners“ gab. Dort wurden an diesem Tag heruntergesetzte Spielfiguren bekannter deutscher Fußballer angeboten und auf Geheiß meiner Mutter durfte ich mir eine aussuchen. Ich hatte als Kind noch keinen Schimmer von Fußball. Namen und Vereine waren mir gänzlich unbekannt. Und so wählte ich eine Figur mit einem gelben Trikot und einer schwarzen Hose, vor allem weil mir die Farben so gut gefielen. Es war Michael Zorc von Borussia Dortmund. Für meinen Bruder suchte ich einen Kerl in rot-weißem Dress aus: Guido Buchwald vom VfB Stuttgart.
Fortan war ich also Fußballfan, genauer gesagt BVB-Fan. An die Weltmeisterschaft an sich kann ich mich nicht mehr so genau erinnern, nur, dass ich im Kinderzimmer meinen Fensterrahmen mit unzähligen Fußball-Klebebildchen aus den Hanuta-Packungen verziert hatte. Das Finaltor von Andi Brehme? Keine Ahnung, ob ich das live gesehen habe.
Doch meine Zuneigung zu den schwarz-gelben Trikots blieb. In den kommenden Jahren tapezierte ich mein Zimmer mit Postern aus der Bravo-Sport, kaufte mir jede Saison die Kicker-Sonderausgabe mit der Bundesligastecktabelle und freute mich über Geburtstagsgeschenke wie eine BVB-Flagge oder eine BVB-Grillschürze. Mein Bruder hielt nicht so lange durch. In dem Jahr, in dem ich die BVB-Grillschürze bekam, erhielt er das gleiche Modell vom FC Bayern München. Vom VfB Stuttgart gab es schlichtweg nicht so umfangreiches Merchandise. So ebbte seine Zuneigung zu den schwäbischen Kickern bald wieder ab.
Ich allerdings blieb noch einige Jahre dabei. Mit 14 oder 15 Jahren nähte ich mir eigenhändig einen BVB-Aufnäher auf meine Wintermütze und radelte stolz mit meinem BVB-Schal um den Hals zur Schule. Zusammen mit einem Klassenkameraden überlegte ich sogar ernsthaft, Vereinsmitglied bei den Dortmundern zu werden, nur so aus Spaß. War natürlich Quatsch. Ein paar Jahre lang saß ich bei Dortmundspielen regelmäßig mit BVB-Kappe, -T-Shirt und -Schal vor dem Fernseher und freute ich mich über Meister- und Championsleaguetitel. Doch irgendwann zwischen der 11. und 13. Klasse ebbte auch bei mir die Begeisterung wieder ab. Ein paar Meistertitel kamen noch dazu und die Ära Jürgen Klopp hat auch viel Spaß gemacht, doch so wie früher war es nicht mehr. Zuneigung zum BVB empfinde ich immer noch, doch die hege ich auch für St. Pauli, den THW Kiel und den Deutschlandachter.
Als Fußballsympathisant betrachtete ich den Beginn der diesjährigen Fußballweltmeisterschaft in Russland mit gemischten Gefühlen. Vor allem die Luftschlösser in der Vorbereitung gingen mir schnell auf die Nerven. Alle sprachen immer nur von der Titelverteidigung und vom fünften Stern für Deutschland, obwohl die letzten Testspiele vor dem Turnier alles andere als überzeugend verliefen. Und genau so katastrophal ging die WM aus deutscher Sicht dann auch zu Ende. Zu viel Druck, zu hohe Erwartungen und nicht das Mannschaftsgefühl von 2014 – das sind meiner Meinung nach die Gründe für das frühe Ausscheiden der Deutschen.
Und auch der Kleidungsstil der Nationalelf hat mich dieses Mal nicht überzeugt. Das weiße Trikot war viel zu langweilig. Und warum wir auswärts immer in diesem grottenhässlichen Grün spielen müssen, habe ich noch nie verstanden. Vor vier Jahren haben mir die roten Elemente in der Spielkleidung viel besser gefallen. Selbst das Auswärtstrikot sah richtig gut aus. Für mich gehört das selbstbewusste Auftreten zum Erfolg einer Mannschaft dazu. „Wer gewinnen will, muss auch gut aussehen“, hat mein Rudertrainer früher immer gesagt.
Der Rest der WM-Akteure hat mich dieses Mal aber auch nicht überzeugt. Zwischenzeitig erinnerte das Ganze eher an Bodenturnen als an Fußball. Ich kann es einfach nicht verstehen: Da stehen auf dem Rasen die besten Fußballer der Welt, die für aberwitzige Millionenbeträge in Europa hin und her gehandelt werden und fallen um, sobald man ihnen ins Ohr pustet. Natürlich muss man den Schiedsrichter darauf aufmerksam machen, dass hier soeben eine bodenlose Frechheit passiert ist. Doch spätestens bei der Zeitlupe wird dann klar, dass der Spieler auf keinen Fall einen komplizierten Splitterbruch davongetragen haben kann, weil der Gegner ihn nur sanft an der Wade touchiert hat.
Auch hat, wie ich finde, der Respekt gegenüber dem Schiedsrichter stark nachgelassen. Nach jedem Foul wird der Mann mit der Pfeife belagert, als ginge es um Leben und Tod. Die gelben Karten wirbeln nur so durch die Luft, doch die erhitzten Gemüter lassen sich nicht beruhigen. Da wird diskutiert und geschimpft, als hätte jemals auch nur ein Schiedsrichter auf der Welt eine Entscheidung aufgrund von Protesten der Spieler wieder zurückgenommen. Und das bei den heutigen Kontrollmethoden. Mittlerweile ist ein gutes Dutzend Offizielle damit beschäftigt, das Spiel aus allen Blickwinkeln zu beobachten. Der Videobeweis wurde bei dieser WM bis zum Erbrechen zelebriert. Doch den Widerstand der Spieler auf dem Feld hat das nicht gemindert. Im Gegenteil. Es schien fast so, als würde der Diskussionsbedarf proportional zur Anzahl der Schiedsrichter ansteigen. Als Respektspersonen wurden die Spielleiter jedenfalls nicht angesehen. Schade.
Apropos Spiel: Beim WM-Tippspiel habe ich in diesem Jahr auch keine Glanzleistung gezeigt. Viele Jahre hatte ich mich erfolgreich davon ferngehalten, nachdem solche Tipprunden für mich regelmäßig schlecht ausgegangen waren. Doch in diesem Jahr wurde ich zu einem Spiel ohne Geldeinsatz eingeladen, also machte ich mit.
Die ersten beiden Spieltage verliefen noch ganz gut. Zwischendurch war ich sogar mal auf Platz zwei der Tabelle mit 25 Teilnehmern. Doch dann ging es nur noch bergab und spätestens nach dem Ausscheiden der Deutschen war auch jeglicher Rest an Motivation dahin. Trotzdem hielt ich durch und tippte fleißig weiter. Doch aus dem Mittelfeld schaffte ich es nicht mehr hinaus. Am Ende reichte es nur für Platz 13. Teilnehmer, die im Achtelfinale Unentschieden getippt hatten, waren besser als ich. Andere hatten nach dem Viertelfinale aufgehört zu tippen. Und waren besser als ich. Es war ein Desaster.
Meine Hoffnungen ruhen jetzt auf der Fußball-WM 2022 in Katar. Hauptsache, die Trikots sehen gut aus. Dann wäre ich schon zufrieden.
[…] meiner Krebserfahrung, aber keinen neuen Krebs, zu behandeln. Im Sommer beschäftigt mich die schlechteste Fußball-WM aller Zeiten. Und nach meiner Stammkneipe muss ich mich in jenem Jahr auch noch von meinem Arbeitgeber […]
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Hallo Stefan, ja, auch mit Abstand betrachtet war die diesjährige WM eine Katastrophe. Wo ich mir doch extra ein Kleid im Fußballdesign genäht hatte. Ich hoffe jetzt auf die nächste EM. Die nächste WM in Katar findet ja im Winter statt. Da kann ich mit meinem sommerlichen Kleid kaum punkten. Glühwein statt kühles Bierchen ist schon komisch zum Fußball, aber auch das schaffen wir. L G Undine
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