Das war komisch letztens: Ich sitze auf dem Sofa und schaue Fußball-WM. Achtelfinale Belgien gegen Japan. Seit mehr als 20 Minuten läuft das Spiel bereits. Da erst fällt mir auf: Es spricht eine Frau. Eine Kommentatorin. Ist es besagte Claudia Neumann? Die Journalistin, die seit einiger Zeit in aller Munde ist, eben weil sie sich als Frau in diese Männerdomäne vorgewagt hat? Ja, sie ist es, wie mir kurze Zeit später eine entsprechende Einblendung seitens der Regie unten links in der Ecke des Bildschirms bestätigt.
Claudia Neumann. Bei diesem Namen höre ich seit einiger Zeit genauer hin, seitdem sie in aller Öffentlichkeit beleidigt und angefeindet wird, weil viele Sesselfußballer es offensichtlich für unmöglich halten, dass eine Frau diesen Job genauso gut erledigen kann wie ein Mann.
Schon ein paar Tage zuvor war mir die Dame am Kommentatorenmikrofon aufgefallen. Ebenfalls bei der Fußball-WM, beim Vorrundenspiel Portugal gegen Iran. Ausgerechnet Iran! Da dürfen Frauen doch auch keine Fußballspiele kommentieren, oder? ODER?! Und ausgerechnet Portugal! Der Mannschaft mit Fußball-Barbie Cristiano Ronaldo. Ob sich die Hormone der Mittfünfzigerin beim Anblick dieses Musterathleten im Zaum halten lassen? NA?!
Was auch immer in den Köpfen der Neumanngegner vorgeht: Ich weiß es nicht. Wie ich schon vermutet hatte, konnte ich keinerlei Anhaltspunkte finden, warum sich Frau Neumann seit ihrem Debüt als Kommentatorin so viel Hetze und Beleidigungen ausgesetzt sehen muss. Ich habe mich weder durch Schminktipps und Kochrezepte belästigt fühlen, noch durch Anschmachtungen in Richtung Ronaldo genervt die Augen verdrehen müssen. Auch nannte sie beide Mannschaften korrekt beim Namen, sagte nicht „die Roten“ bzw. „die Weißen“ und hatte, soweit ich das beurteilen konnte, auch sämtliche Namen der sich auf dem Feld befindlichen Spieler parat. Ferner blieb sie bei hitzigen Situationen angemessen gelassen und schien sich auch mit dem Begriff „Abseits“ ausreichend auszukennen. Ich war mit meinem Neumann-Debüt sehr zufrieden und würde sie sofort wieder buchen.
Nun also ein paar Tage später beim Spiel Belgien gegen Japan. Bei der Fußball-WM in Russland. Hallo? Russland? Staatsdoping? Krim-Annexion? Das scheint den frauenfeindlichen Fußballfreunden offenbar egal zu sein. Einige scheinen sich lediglich zu fragen: Was ist nur aus den Zeiten geworden, als Frauen am Herd festgekettet und mit „Frauengold“ ruhiggestellt werden durften? Diese Zeiten sind vorbei. Zum Glück. Muss ja auch. Schaut mal auf die Uhr: Ist ja schon 2018.
Ich schaue mir jedenfalls lieber ein Fußballspiel mit Frau Neumann an, als ein Tennis-Match, das von Boris Becker kommentiert wird. Hat das schon mal einer gesehen? Also bitte.
Ehrlich gesagt, mag ich Männer als Kommentatoren lieber. Liegt einfach an der Stimmlage und ich als Frau darf das sagen. Allerdings kann ich so einen Shitstorm gegen eine Frau auch nicht gut heißen. Und das muss ich sagen, weil ich mich dann doch mit einer Frau solidarisch verbunden fühle. LG Undine
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Schade, dass diese indiskutablen Beleidigungen und die Hetze dazu geführt haben, dass durchaus konstruktive Kritik an Frau Neumanns Kommentarstil etwas untergeht, denn man kann ihre Art ein Spiel zu kommentieren, durchaus nicht mögen, ohne deswegen gleich frauenfeindlich zu sein. Mein Eindruck ist schlicht, dass Frau Neumann einfach zu viel redet, viel zu viel. Das kann man, muss man sogar, während eines Radio-Kommentars machen, im Fernsehen wirkt das irgendwann leider etwas nervig.
Auch mit den Herren Werner Hansch und Fritz von Thurn und Taxis, der in einem Spiel doch tatsächlich mal darüber sprach, dass „der Rasen in einem vitalen Zustand“ sei, hatte ich schon früher so meine Probleme, das gilt also unabhängig vom Geschlecht.
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Das ist es was ich meine. Das Geschlecht hat damit nichts zu tun. Und es gibt männliche Beispiele, auf anderen Sendern, bei denen Kritik viel mehr angebracht wäre, wie ich finde.
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