Ich möchte keine Holzmedaillen bekommen! Ich hasse Holzmedaillen! Holzmedaillen bekommen nur Verlierer! Holzmedaillen sind respektlos dem Sportler gegenüber! Ich möchte für mein hartes und langes Training mit einer schönen und wertschätzenden Medaille belohnt werden! Und die ist nicht aus Holz!
Sorry, ich muss mir hier gleich am Anfang mal etwas Luft machen, denn das Thema regt mich richtig auf. Bei immer mehr Laufveranstaltungen bekommt man im Ziel jetzt Medaillen aus Holz umgehängt. Und das darf einfach nicht sein, finde ich. Doch gerne der Reihe nach:
Erste Medaille mit 14 gewonnen
Meine erste Medaille im Sport gewann ich mit 14 Jahren bei einer Ruderregatta. In Dörpen in Niedersachsen ging ich im Einerslalom an den Start, wie das in der Kinderklasse so üblich war. Gegen meinen damaligen Renngegner verlor ich zwar, doch irgendwas war bei der Renneinteilung schiefgelaufen und gegen den für mich ausgelosten eigentlichen Gegner war ich schneller. So gewann ich das ausgeschriebene Rennen, wurde bei der Siegerehrung überraschend aufgerufen und bekam meine erste Medaille umgehängt. Die habe ich heute noch.
In den darauffolgenden Jahren kamen viele Rennen, ein paar Siege und damit auch weitere Medaillen dazu. In Bremen gab es einmal einen kleinen Teller aus Porzellan. Das war auch ok.
Ich war mittendrin im Sport. Und ein paar Jahre sogar im Leistungssport. Für große Titel hat es bei mir nicht gereicht, doch ich durfte über die Jahre die Bekanntschaft mit vielen Medaillenträgern bei Deutschen Meisterschaften, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen machen. Rudern ist so ein Sport, bei dem man der Weltelite vergleichsweise einfach über die Schulter schauen kann. Eine Goldmedaille bei internationalen Wettkämpfen bleibt für viele dennoch ein Traum.
Mit dem Rudersport wurde es mit der Zeit weniger. Meine letzte Verbandsregatta bin ich 2012 gerudert, der letzte Ruderwettkampf war 2018.
Lebenstraum Marathon nach dem Krebs erfüllt
Dafür hat der Laufsport in den vergangenen Jahren einen immer größeren Stellenwert in meinem Alltag bekommen. Gelaufen bin ich neben dem Rudertraining immer schon. Meinen ersten Laufwettkampf hatte ich mit 15. Doch bis 2019 bin ich in meinem Leben nie weiter als zwölf Kilometer gelaufen.
Die Idee, einen Marathon zu laufen, kam 2016 nach meiner Krebsdiagnose. Ganz langsam tastete ich mich im Training an die Langdistanz heran. Meinen ersten Halbmarathon lief ich 2019. Der erste Marathon folgte 2022.
Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, beim Marathon nach 42,195 Kilometern die Ziellinie zu überqueren und die Medaille umgehängt zu bekommen. Alle, die einen Marathon schaffen, sind Gewinner. Alle haben Monate und Jahre mit hartem Training verbracht, um an den Punkt zu kommen, einen Marathon zu schaffen. Beim Training geht viel Freizeit drauf. Die Sonntage sind für lange Läufe reserviert. Der Rest der Familie steht hinten an. Doch wenn das Ziel in Sicht ist, die Anfeuerungsrufe des Publikums einen über die Linie tragen und die Medaille um den Hals hängt, sind die Entbehrungen vergessen. Im Ziel nach einem Marathon fühlte ich mich immer, als wäre ich selbst gerade Weltmeister oder Olympiasieger geworden. Für mich war ich das. Ein Traum ging in Erfüllung.
Holzmedaillen stehen traditionell für den Verlierer
Mit Schrecken stelle ich seit einiger Zeit fest, dass bei immer mehr Laufveranstaltungen Medaillen an die Finisher verteilt werden, die nicht mehr aus Metall, sondern aus Holz sind. Mit dem Nachhaltigkeitsgedanken wird dabei geworben und damit, sich von anderen Veranstaltungen abzuheben. Ich finde das schrecklich und weitab von jedem sportlichen Gedanken.
In der Tradition des Sports steht die Holzmedaille für den Verlierer. Jemand, der es nicht aufs Treppchen schafft und knapp Vierter wird, bekommt sprichwörtlich die „Holzmedaille“. Die Holzmedaille zu bekommen ist peinlich und wird belächelt. Jemand, der die Holzmedaille bekommt, hat es trotz großer Bemühungen nicht geschafft.
Bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften sind die Medaillen seit jeher aus Metall. Gold, Silber und Bronze sind Symbole des Erfolgs. Der Lohn für harte Arbeit. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie Spitzensportler reagieren würden, wenn es bei ihren Meisterschaften nur golden, silber oder bronze angemalte Holzmedaillen geben würde.
Vielleicht ist es etwas weit hergeholt, einen Marathonlauf für Hobbyläufer mit den Olympischen Spielen zu vergleichen. Doch für viele hat das einen ähnlichen Stellenwert. Ein Marathonlauf ist für viele Menschen ein Lebenstraum, auf den sie jahrelang hinarbeiten. Für mich war das so. Und wenn ich bei meinem ersten Marathonlauf, bei der Erfüllung dieses Lebenstraums, nur ein läppisches Stück Holz in die Hand gedrückt bekommen hätte, wäre ich maßlos enttäuscht gewesen.
Manche sagen, das Ziel eines Laufs sollte die Ziellinie sein und nicht die Medaille. Ich finde, aus der Tradition heraus gehört es sich einfach, dass ein Sportler für eine herausragende Leistung mit einer Medaille aus Metall belohnt wird. In den vergangenen Jahren haben sich Laufveranstaltungen auf der ganzen Welt gegenseitig dabei zu übertrumpfen versucht, die schönste Medaille zu vergeben. Unter anderem diese Entwicklung hat dazu beigetragen, dass Laufveranstaltungen wie Halbmarathon und Marathon einen immer größeren Zulauf bekamen und von vielen Menschen auf die Liste ihrer Lebensträume geschrieben wurden. Holzmedaillen bewirken genau das Gegenteil.
Mit Holzmedaillen Nachhaltigkeit vorzugaukeln, ist Greenwashing
Den vorgeschobenen Nachhaltigkeitsaspekt halte ich für fadenscheinig. Wer eine nachhaltige Laufveranstaltung durchführen möchte, der sollte auf Plastikbecher an den Verpflegungsstationen und Absperrbänder aus Plastik verzichten und bei der Logistik auf Elektrofahrzeuge setzen. Von den zehntausenden Plastikbeuteln mit unnützen Werbegeschenken, die bei der Startnummernausgabe an die Teilnehmenden ausgeteilt werden, mal ganz zu schweigen. Und es gibt bestimmt noch weitere sinnvolle Einsparpotenziale, wenn man sich damit einmal genauer befasst. Die Medaillen sind natürlich ein sichtbarer Aspekt, den man hervorragend vermarkten kann, weil viele Läuferinnen und Läufer ihre Medaille hinterher in den Sozialen Medien teilen. Doch mit einer Holzmedaille Nachhaltigkeit vorzugaukeln, halte ich für Greenwashing.
Liebe Laufveranstalter, verzichtet doch bitte auf die Ausgabe von respektlosen Holzmedaillen und bleibt bei der Variante aus Metall. Vielleicht gibt es andere Materialien, die geeignet sind. Irgendwas mit Hanf oder Reis oder so klingt doch auch grün. Und wenn es unbedingt Holz sein muss, dann entwerft doch Teller oder Pokale oder andere Symbole. Aber Holz und Medaille passen einfach nicht zusammen. Wer bei einer Sportveranstaltung Holzmedaillen ausgibt, hat keine Ahnung von Sport!
Danke für die Aufmerksamkeit. Ich gehe jetzt laufen.
(Bild: Collage/Screenshots Instagram)
Du sprichst mir auch aus dem Herzen. Für kleinere Volksläufe, 10km-Wettkämpfe o.ä. würde ich noch zustimmen. Vielleicht besser als die preisgünstigen Metallmedaillen, die tatsächlich im Müll landen.
Ich Herbst hatten wir vor, 500 km nach Oldenburg zum Marathon zu fahren. Wurde aber abgewählt, weil es Holzmedaillen gibt.
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Danke für deinen Kommentar! Mit Oldenburg hatte ich auch schonmal geliebäugelt, der fällt jetzt aus den bekannten Gründen weg. Ich hoffe, dass wenigstens die meisten großen Veranstaltungen, wie beispielsweise Hamburg, bei der Metallversion bleiben. Viele Grüße!
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[…] Weitere Meinung eines Laufbloggers: https://derneuestefan.com/2023/07/20/gegen-holzmedaillen-im-laufsport/ […]
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Danke für diesen Beitrag, du sprichst mir aus der Seele!
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Ich danke dir! 😊
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[…] nicht darauf verlassen, dass jetzt eigentlich nichts mehr schiefgehen könne. Erst im Ziel mit der Medaille um den Hals war ich mir […]
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