Meinungsfreiheit still alive?

Momentan wird wieder viel über Meinungsfreiheit gesprochen. Laut aktueller Umfragen sind viele Menschen offenbar der Meinung, dass es um die Meinungsfreiheit in Deutschland nicht mehr so gut bestellt ist. Im Fernsehen werden Menschen dazu befragt, die anschließend 30 Minuten lang darüber referieren, dass man in Deutschland „ja gar nichts mehr sagen“ darf. Während diese Menschen ungehindert ihre Meinung kundtun dürfen, sitzt eine Reporterin oder ein Reporter daneben und lässt sie geduldig ausreden. Den Beitrag sehen anschließend mehrere Millionen Menschen. Reporter und Kamerateam gehen wieder nach Hause. Die Befragten leben in Frieden weiter.

Ich frage mich, wie man dabei auf die Idee kommen kann, dass es in Deutschland an Meinungsfreiheit mangelt. Menschen, die in Autokratien oder Diktaturen leben, lachen sich kaputt, wenn sie das hören. In Deutschland wird niemand verhaftet, wenn er eine andere Meinung hat oder sich öffentlich regierungskritisch äußert. Er wird höchstens kritisiert. Wenn jemand lautstark verbreitet, dass Einwanderung schlecht für Deutschland und Impfen schlecht für die Menschen sei, dann darf ich dem ebenso lautstark entgegentreten und deutlich machen, dass ich das anders sehe. Das nennt man dann… Moment… ach ja: Meinungsfreiheit!

Viele Menschen, die eine mangelnde Meinungsfreiheit anprangern, kommen in Wahrheit nicht mit der Lautstärke der Reaktion klar. Meine Meinung. Wer nach einem Satz wie „Impfen finde ich Quatsch“ unerwartet heftige Gegenargumente mit den Worten „Hier darf man ja gar nichts mehr sagen!“ zu ersticken versucht, der will sich anscheinend gar nicht am Diskurs und dem Finden eines Kompromisses bei strittigen gesellschaftlichen Fragen beteiligen. Aber so läuft das nicht. Wer seinen Senf dazu gibt, der muss auch den Senf der anderen respektieren. Doch mit Vernunftansprüchen beißt man in dieser Richtung oft auf Granit.

Was wir in Deutschland dagegen nicht haben, ist eine Beleidigungsfreiheit. Viele Menschen sagen nämlich nicht „Einwanderung ist schlecht“, sondern keifen Sätze wie „alle Ausländer sind kriminell!“ Und das ist keine Meinung, das ist Rassismus. Lupenreiner, menschenverachtender Rassismus. Und wer lautstark mit rassistischen Äußerungen auf die Straße oder in die Sozialen Medien geht, der erntet dafür natürlich lautstarke Gegenreaktionen. Von anständigen, modernen, mitfühlenden Menschen. Rassistische Kackscheiße darf man aus meiner Sicht nämlich wirklich nicht sagen.

„Ich bin ja kein Nazi, aber dass da jetzt eine Schwarze im Landtag sitzt, geht gar nicht!“ Ja, vielleicht bist du kein Nazi. Aber du bist ein Rassist. Ein dummer, widerwärtiger Rassist. „Ich bin ja kein Nazi, aber….“ Wieso „aber“? Sei einfach kein Arschloch. Punkt. Diese Wortwahl nehme ich mir aus dramaturgischen Gründen jetzt einfach mal heraus…

Foto: Polina Tankilevitch/Pexels

 

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