Happiness Rising

22.15 Uhr, irgendwo in Norddeutschland.

Ring, Ring, Ring!

„Hausverwaltung, Schmidtke.“

„Ja… äh… Hallo? Ist dort die Hausverwaltung?“

„Habe ich doch gerade gesagt. Hausverwaltung, Schmidtke.“

„Ach ja, stimmt. Sorry, ich bin ein bisschen aufgeregt. Hören Sie, hier stimmt irgendwas nicht. Ich habe kein Wasser mehr!“

„Kein Wasser? Wie meinen Sie das?“

„Nun ja, es wird immer weniger. Bis eben war der Kessel noch randvoll. Doch eben ist da ordentlich was ausgelaufen. Können Sie vielleicht mal gucken?“

„Hm, also momentan ist es eher schlecht. Beobachten Sie das mal bitte und melden sich vielleicht später nochmal.“

„Na gut, wenn Sie meinen. Aber normal ist das nicht!“

 

23.15 Uhr

Ring, Ring, Ring!

„Hausverwaltung, Schmidtke.“

„Ja… äh… ich nochmal. Hören Sie, hier ist gerade wieder was komisches passiert. Eben ging die Tür auf, jemand fummelt mir am Kopf rum und verschwindet dann wieder, ohne etwas zu sagen. Haben Sie etwas damit zu tun?!“

„Verstehe. Das hat alles seine Richtigkeit. Ich habe die Unterlagen geprüft und Sie müssten eigentlich Bescheid wissen. Sie müssen ausziehen.“

„Wie bitte? Ausziehen?! Wie soll das denn gehen, so mitten in der Nacht? Ich habe doch noch gar nicht gepackt! Obwohl, so viel habe ich ja gar nicht…“

„Wie gesagt, das ist alles richtig so. Bleiben Sie, wo Sie sind. Sie werden bald abgeholt.“

„Na, Sie machen mir Spaß! Ich bin gespannt…“

 

2.05 Uhr

Ring, Ring, Ring!

„Hausverwaltung, Schmidtke.“

„Ja, ich schon wieder! Also irgendwas passiert hier gerade! Hier wackelt irgendwie alles und ich habe das Gefühl, die Wände kommen näher. Ist das etwa Ihre Masche, mich hier rauszukriegen?“

„So pauschal kann ich das auch nicht sagen. Wissen Sie, jeder Mieter ist anders. Aber im Großen und Ganzen läuft das meistens so ab wie jetzt bei Ihnen. Irgendwann muss schließlich jeder mal raus.“

„Na toll. Ich hatte mich hier gerade eingewöhnt. War eigentlich immer ganz nett. Ist nur ein bisschen enger geworden in letzter Zeit, das habe ich schon gemerkt. Und meine Freunde haben mich auch nicht mehr besucht. Das hat mich schon gewundert.“

„Freunde?“

„Ja. Wir waren mal mehrere Millionen und haben den ganzen Tag lang gechillt. Dann sind die eines Tages alle los. Alle! Also bin ich mit. Ich war ganz vorne. Und dann standen wir plötzlich hier vorm Haus und haben ein bisschen gerangelt, wer als erstes reindarf. Ich bin dann los, aber von den anderen kam keiner mit. Die Tür ging zu und das wars dann.“

„Glauben Sie mir, Ihre Geschichte habe ich so schon tausendmal gehört. Das ist alles richtig. Es geht bald weiter.“

„Mann, Mann, Sie machen Sachen!“

 

4.55 Uhr

Ring, Ring, Ring!

„Hausverwaltung, Schmidtke.“

„Zeugen Jehovas, wir möchten mit Ihnen über Gott sprechen!“

„Wie bitte?“

„Scherz! Ich bin’s wieder! Hahaha! Wie lange wird es denn wohl noch dauern? So ungefähr? Es wird hier zunehmend ungemütlich. So langsam sitze ich hier komplett auf dem Trockenen. Und die Erdbeben werden immer stärker. Könnten Sie mir einen ungefähren Zeithorizont skizzieren, wann ich abgeholt werde?“

„Hahaha! Sie Witzbold! Also: Sie sind auf jeden Fall für den Vormittag vorgemerkt. Genau können wir das aber nie sagen. Halten Sie sich einfach bereit. Es geht zeitnah weiter. Wir tun unser Möglichstes. Unser Workflow ist angelaufen. Die gute Nachricht ist: Wir haben schon ein schönes neues Zuhause für Sie gefunden.“

„Och, das klingt ja schon mal gut. Dann machen Sie mal hin. So langsam bricht hier alles zusammen.“

 

7.25 Uhr

Ring, Ring, Ring!

„Hausverwaltung, Schmidtke.“

„Hello again! Also ich stehe jetzt direkt hinter der Tür. Sie können mich gar nicht verfehlen. Viel Platz ist hier sowieso nicht mehr. Kann gerne losgehen. Ach, und muss da draußen eigentlich immer jemand so laut schreien?“

„Ach, Sie wieder. Ja, das Schreien lässt sich leider nicht vermeiden. Das muss so. Wir sind hier auch alle bereit. Sie können dann gerne rauskommen. Von unserer Seite gibt’s da nicht mehr viel zu tun.“

„Wie? Ich soll selber vor die Tür? Das hab ich ja noch nie gemacht. Sitzen meine Haare überhaupt?“

„Ihre Frisur sieht top aus. Die kann ich von hier aus fast schon sehen.“

„Ach wirklich? Na gut, ich schau gleich mal raus.“

 

8.05 Uhr

Ring, Ring, Ring!

„Hausverwaltung, Schm…“

„Bla, bla, bla, sie wissen doch wer hier ist! Warum dauert das denn so lange? Müssen Sie mich so auf die Folter spannen? Langsam reicht‘s mir hier. Ich wollte eben raus, aber so richtig klappt das noch nicht. Und dieser Lärm da vor der Tür hilft mir auch nicht weiter!“

„Ja, wissen Sie, wir sind hier auch alle ziemlich aufgeregt, dass Sie gleich rauskommen. Sie müssen nur noch einen kleinen Schritt machen.“

„Einen kleinen Schritt? Wie soll das denn… Oh, es wird ja plötzlich so hell… Und da ist schon wieder jemand an meinem Kopf… Hallo? Sind Sie noch da..? Hoppla, jetzt bin ich ausgerutscht! Was ist das denn hier? So groß habe ich das Treppenhaus gar nicht in Erinnerung… Oh, Hallo, wer sind Sie denn?“

„Hallo, ich bin Hebamme Schmidtke. Es ist jetzt 8.08 Uhr. Willkommen im neuen Zuhause. Darf ich dir deine Eltern vorstellen?“

 

Foto: Gustavo Fring/Pexels

4 Gedanken zu „Happiness Rising

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