Als ich zehn oder zwölf Jahre alt war, habe ich in den Sommerferien zum ersten Mal auf die Haustiere meines Schulfreundes aufgepasst. Das war ganz schön viel Verantwortung auf einmal, schließlich handelte es sich dabei um zwei Aquarien, ein Kaninchen und einen Hamster, die ich drei Wochen lang mit Futter und Pflege versorgen musste, während mein Freund mit seiner Familie im Urlaub war.
Jeden Tag radelte ich zu seinem eineinhalb Kilometer entfernten Haus und schaute nach dem Rechten. Ich versorgte die Tiere mit Futter, hielt die Käfige sauber, leerte den Briefkasten und wässerte die Zimmerpflanzen. Ich fand das alles ziemlich spannend, denn mit Fischen und Nagetieren hatte ich mich davor noch nicht so intensiv beschäftigt. Wer hätte gedacht, dass Fischfutter gar nicht nach Fisch roch?
Zu Beginn des Housesittings lief alles wie am Schnürchen. Ich freute mich jeden Tag auf den Kontakt mit den kleinen Lebewesen und erledigte meine Arbeit gewissenhaft.
Nach ein paar Tagen stimmte jedoch etwas mit einem der beiden Aquarien nicht. Mein Freund hielt sich Piranhas darin und diese hatte ich genau nach seinen Anweisungen gefüttert: Regelmäßig ein paar Brocken gefrorenes rohes Fleisch hineingeben. Doch von diesem Fleisch blieben Reste zurück, die nun langsam vergammelten und das Wasser trüb werden ließen. Davon hatte mein Freund nichts gesagt. Meine Reinigungsversuche blieben erfolglos und die Raubfische fraßen auch weiterhin eher unregelmäßig, sodass ich mich nach einigen Tagen dazu entschied, etwas von dem trüben Wasser abzulassen und neu aufzufüllen. Was würde mein Freund denken, wenn er nach seinem Urlaub auf ein verdrecktes Aquarium traf?
Schlauch und Eimer fand ich im Zubehörschrank unter dem Aquarium. Und wie ich das im Fernsehen bei MacGyver gesehen hatte, saugte ich kurz an dem einen Ende des Schlauches, um den Wasserfluss in den Eimer in Gang zu bekommen. Klappte hervorragend. Ich tauschte etwa die Hälfte des Wassers aus und war hinterher mit meiner Arbeit recht zufrieden. Den Tieren schien es nicht geschadet zu haben. Ihr Fressverhalten änderte sich allerdings nicht.
Ganz andere Probleme hatte ich mit dem Hamster. Der kleine Kerl schien gegen Ende meines Dienstes in einen tiefen Schlaf gefallen zu sein und ich ließ ihn in Ruhe. Mein Freund erzählte mir nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub, dass er den Nager tot aufgefunden habe. Er machte mir keinen Vorwurf. Hamster seien empfindlich, sagte er.
In den darauffolgenden Sommern habe ich immer wieder auf die Tiere aufpassen dürfen. Allerdings wurden es jedes Jahr weniger. Nachdem der Hamster den ersten Sommer nicht überlebte, folgten im zweiten Jahr die Piranhas. Im dritten Jahr gab irgendwann das altersschwache Kaninchen seine Löffel ab, sodass ich im vierten Jahr nur noch das Aquarium mit allerlei bunten Zierfischen zu beaufsichtigen hatte. Dafür sollte ich zusätzlich das Laub vor dem Haus zusammenharken. Mein letzter Dienst war wohl in den Herbstferien.
Später wurden meine Ferienjobs komplexer. Ich trug Prospekte und Zeitungen aus, stand im Lager an der Papierpresse und verpackte Autoteile für den Export. Nachdem ich bei der Bundeswehr den entsprechenden Führerschein gemacht hatte, war ich einige Male als Staplerfahrer im Einsatz. Und bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 stand ich beim Public Viewing in der Fischauktionshalle in Hamburg an der Zapfanlage.
Es war eine besondere Zeit, in der man nur in den Sommer- oder Semesterferien täglich arbeiten war. Wenn man mit den vielen anderen Ferienjobbern in der Mittagspause mit den regulären Arbeitskräften zusammentraf. Wenn man angezählt wurde, wenn man den Job zwischendurch mal nicht so ernst nahm, Pausenzeiten überzog oder Wettrennen mit dem Hubwagen machte. Und wenn man sich am Ende der Ferien über den Geldbetrag auf dem Konto freute, der einen für die nächsten Monate durchs Schüler- oder Studentenleben brachte. Viel Geld war es nie. Dafür viel Freiheit.
Bild: Maria/Pixabay
Sehr anrührend! Piranhas sind das neue Lametta. Gebloggte Hamsternstunde
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Oh ja, gleich mal schauen, ob es Glitzer-Einhorn-Piranhas für den Weihnachtsbaum gibt. 😆
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