Noch 13 Sekunden auf der Uhr. Im Viertelfinale des Olympischen Handballturniers liegen die Deutschen Männer gegen die Franzosen zwei Tore zurück. Das ist nicht zu schaffen, denke ich.
Doch dann gibt es Siebenmeter für die Deutschen. Die Uhr wird angehalten. Renars Uscins steht an der Linie – und macht das Ding!
Nur noch ein Tor Rückstand. Die Zeit verrinnt. Frankreich wieder im Ballbesitz. Ein paar Sekunden werden vertrödelt. Dann Auszeit. Noch sechs Sekunden auf der Uhr.
Bei Wiederanpfiff bleiben die Franzosen in Ballbesitz. Die Deutschen decken, was das Zeug hält. Dann Fehlpass von Frankreich! Der Ball landet wieder bei Uscins, der Sekundenbruchteile vor Ablauf der regulären Spielzeit den Ausgleich schafft! Wahnsinn! Ich raste auf dem Sofa komplett aus und schlage vor Freude aufs Polster. Sowas habe ich noch nie gesehen!
Wenig später ist es geschafft. Die Deutschen gewinnen die erste Verlängerung mit einem Tor Vorsprung und ziehen ins Halbfinale der Olympischen Spiele 2024 in Paris ein. Für mich DER Moment der diesjährigen Spiele.
Gänsehaut bei den Laufwettbewerben der Olympischen Spiele 2024
Ähnliche Begeisterung löst auch das Finale der 4×100-Meter-Staffel der Frauen in mir aus. Nach dem letzten Wechsel von Gina Lückenkemper auf Rebekka Haase gehen die Deutschen als Erste auf die Zielgerade. Am Ende gibt es Bronze hinter Großbritannien und den USA – sensationell! Und auch historisch, denn mit Alexandra Burghardt befindet sich eine Läuferin in der Staffel, die nun sowohl bei den Winterspielen (Zweierbob) als auch bei den Sommerspielen eine Olympische Medaille geholt hat, und das haben in der Geschichte von Olympia vor ihr erst sechs Menschen geschafft.
Gänsehaut habe ich auch bei den Marathonwettbewerben. Die letzten Kilometer vor dem Ziel müssen für die Läuferinnen und Läufer der Wahnsinn gewesen sein. Dichtgedrängt stehen die Fans an der Strecke und jubeln sich die Seele aus dem Leib. Nahezu alle Sehenswürdigkeiten der Stadt werden passiert, kurz vor Schluss geht es ganz dicht am Eiffelturm vorbei. Bewegende Bilder und ein tolle Werbung für die Stadt. Bei den Frauen gewinnt eine Athletin, die wenige Tage zuvor bereits Medaillen auf der Bahn über 3000 und 5000 Meter geholt hat. Der Sieger bei den Männern läuft neuen Olympischen Rekord.
Olympia 2024: Spaß, Vielfalt, Wertschätzung und Frieden
Ich hatte lange nicht mehr so viel Spaß bei den Olympischen Spielen und fand, es hat alles gepasst. Die Stadt bot eine tolle Kulisse und hat mich vor allem mit dem nachhaltigen Konzept überzeugt. Kaum eine Sportstätte wurde neu gebaut. Als Olympiastadion diente das 26 Jahre alte Stade de France. Geboxt wurde auf dem Tennisplatz. Das Beachvolleyballstadion vor dem Eiffelturm wird wieder abgebaut.
Es gab keinen Terror und keine Gewalt. Rund 11000 Sportlerinnen und Sportler aus 206 Nationen kämpften zwei Wochen lang nebeneinander friedlich um die Medaillen. Die Olympischen Spiele 2024 waren für mich ein großes Aushängeschild für Vielfalt, Wertschätzung und Frieden. So wie sie sein sollten.
Jetzt übernehmen die Meckerfritzen wieder
Und trotzdem kommen jetzt wieder die Kritiker und Statistiker um die Ecke, die ihren Blick vor allem auf den Medaillenspiegel und die Nationenwertung richten. Deutschland habe mal wieder weniger Medaillen geholt als bei den Spielen davor und sei im Medaillenspiegel weiter nach unten gerutscht. Zwölf Goldmedaillen seien gut, aber, aber, aber…
In einem Fernsehbericht werden sogar die größten Enttäuschungen der Spiele 2024 hervorgehoben und dabei namentlich drei deutsche Sportlerinnen und Sportler an den Pranger gestellt. In Bezug auf die Olympischen Spiele von Enttäuschungen zu sprechen, halte ich für fehl am Platz. Einen Sportler als Enttäuschung zu bezeichnen, der bei den vorangegangen Spielen noch Olympiasieger wurde, jetzt aber „nur“ den achten Platz geholt hat, finde ich frech und respektlos. Ein achter Platz bei einem interkontinentalen Wettbewerb, der nur alle vier Jahre in diesem Rahmen stattfindet, ist aus meiner Sicht aller Ehren wert und verdient größte Wertschätzung.
„Nur“ Silber? Das ist respektlos!
Die einzige Enttäuschung der Olympischen Spiele 2024 sind in meinen Augen Teile der Berichterstattung. Mancher Reporter hat offenbar kein Gespür dafür, wie viel Vorbereitung die Teilnahme an Olympischen Spielen kostet. Für diesen einen Moment wird oft jahrelang trainiert, nachdem zuvor oft ein Leben lang davon geträumt wurde. Das Training ist hart, die Entbehrungen groß. Gleichzeitig sieht es bei den finanziellen Mitteln für Sportlerinnen und Sportler in Deutschland weiterhin schlecht aus. Trotzdem steigt der Druck von außen, möglichst viele Medaillen zu holen. Niemand möchte diesen Wunsch mehr erfüllen als die Athletinnen und Athleten.
Die Teilnahme am größten Friedensfest der Erde sollte für jeden Sportler als Erfolg betrachtet werden. Auf der anderen Seite darf das Ergebnis jahrelanger harter Arbeit von Außenstehenden nicht als Enttäuschung oder Fiasko („nur“ Silber für die deutschen Handballer) bezeichnet werden. Wer das tut, der sitzt wahrscheinlich auch mit einem Fußballtrikot beim Basketball.
Foto: myshoun/Pixabay
[…] mit Kindern veranlasst. Ansonsten gab es viele bunte Themen wie Vaterschaft und Alkohol, die Olympischen Spiele in Paris und ganz neue Blickwinkel beim Weihnachtsmarktbesuch mit […]
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