Ring, Ring, Ring!
„Sky is the limit Versicherung, Ostrowski, was kann ich für Sie tun?“
„Ja Hallo, die Sonne hier. Ich möchte gerne eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen.“
„Ok, Frau Sonne, dann bräuchte ich zunächst…“
„Nein, nein, nicht FRAU Sonne. Einfach nur Sonne. DIE Sonne. Wir kennen uns. Schauen Sie mal aus dem Fenster, dann sehen Sie mich.“
„Ach, Sie sind das! Schön, Sie mal kennenzulernen! Ich bin ein großer Fan! Sommer und so, Photovoltaik, Vitamin D. Tolle Arbeit!“
„Oh, Danke, Danke, Arbeit ist das Stichwort. Wie ist das jetzt mit der Versicherung?“
„Ich bräuchte mal ein paar Daten. Alter, Adresse, Berufsbezeichnung…“
„Ok, mal sehen. Alter: 4,6 Milliarden Jahre. Adresse: Zentrum des Sonnensystems. Und Beruf eigentlich auch.“
„Gut. Ich gebe das mal ins System ein… Hm, die Berufsbezeichnung ist nicht hinterlegt. Könnten Sie die Tätigkeit genauer beschreiben?“
„Also, ich gehe morgens auf und abends wieder unter. Und dazwischen strahle ich eigentlich nur. Glühendheiß. Da ist eine Menge Energie im Spiel, sag ich Ihnen. Aber das besondere ist: Wenn ich, sagen wir mal, für Sie untergehe, gehe ich im selben Moment für jemand anderen auf. Ich bin also immer im Dienst! 24/7! Das ist auf Dauer ganz schön anstrengend.“
„Verstehe. Irgendwelche Berufsrisiken? Schwer heben oder so?“
„Schwer heben?! Hören Sie mir nicht zu? Ich bin die Sonne, ich habe keine Arme!“
„Sorry, ich arbeite hier nur den Fragenkatalog ab…“
„Hören Sie, das ist kein Zuckerschlecken hier. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalte. Jeden Tag auf- und untergehen. Anfang und Ende. Abschied und Neuanfang. Ich denke in letzter Zeit viel über die Zukunft nach. Was ist, wenn ich irgendwann mal nicht mehr bin? Was hinterlasse ich dem Universum? Werde ich einfach ersetzt? Wobei: Mit Nachwuchs siehts in diesem Beruf aktuell auch sehr mau aus. Ich hätte gerne ab und zu wenigstens mal eine Vertretung. Ich möchte mal Urlaub machen. Mal in die Sonne fliegen oder so…“
„In die Sonne? Aber Sie sind doch…“
„Und das schlimmste ist: Ich kann mich noch nicht einmal im Spiegel anschauen! Ich muss mir immer eine Sonnenbrille aufsetzen, wenn ich mich rasieren will!“
„Rasieren? Hatten Sie nicht gesagt, Sie haben keine Arme?“
„Ja richtig. Aber dafür gibt es mittlerweile eine KI. Und wenn das WLAN streikt, tut’s auch die gute alte Brandrodung.“
„Also Sachen gibt’s…“
„Wie auch immer. Ich möchte mich einfach absichern. Können Sie mir bitte ein Angebot machen?“
„Gut, ich schau mal, welcher Tarif für Sie in Frage käme und schicke Ihnen dann was zu, ok?“
„Das klingt gut, vielen Dank! Schicken Sie das am besten per E-Mail. Briefe gehen hier immer so schnell in Flammen auf.“
„Ok, mach ich. Sonnige Grüße!“
„Ich kanns nicht mehr hören…“
Foto: Stefan Kübler