„Herr Klühgler bitte!“

Beim Naseputzen explodiert Luftpolsterfolie in meinen Ohren. Ich habe Schmerzen, mir ist schwindelig. Im Radio klingt alles krumm und schief. Ingo Zamperoni hört sich an wie Mickey Maus.

Also ab zum Arzt. Erst zum Haus-, dann zum HNO-Arzt. Mit meinem Kopf in einer Tuba sitze ich im Wartezimmer und hoffe, dass ich bald aufgerufen werde.

„Herr Kübler bitte!“

Das ging ja schnell. Ich erhebe mich von meinem Stuhl. Doch der junge Mann neben mir ist schneller. Er springt auf, drückt einem anderen Mann seine Jacke in die Hand und verschwindet im Sprechzimmer.

„Entschuldigung“, frage ich den Mann, der auf die Jacke aufpasst, „welcher Name wurde eben aufgerufen?“

„Kügler“, sagt der Mann. „Das ist mein Sohn.“

Ach so. Falsch verstanden. Ich murmele eine Dankesfloskel und hoffe, dass hier alles mit rechten Dingen zugeht. Nicht, dass wir hier in der Hektik verwechselt oder vergessen werden. Man hört ja so viel…

„Herr Kübler bitte!“

Jetzt aber. Ich mache mich bereit, doch wieder erhebt sich ein anderer Herr.

„Sind Sie Herr Krüger?“

Der Mann nickt der Assistentin zu und wird ins Sprechzimmer geführt.

Was ist denn hier los? Werden heute nur Ohrenbeschwerden von Männern mit „K“ und „ü“ behandelt? Sollten wir einen Verein gründen? Meine Sinne sind geschärft, die Ohren gespitzt.

„Herr Klüber bitte!“

Um die Ecke kommt ein weiterer Herr. Wie sich herausstellt, heißt er „Köhler“. Mich wundert hier gar nichts mehr.

Auf einem Nebenschauplatz streiten sich zwei Frauen darüber, wer zuerst aufgerufen wurde. Beide heißen Schubert. Die eine Lina, die andere Tina. Eine war auf dem Klo, die andere am Handy. I feel you.

„Herr Kübler bitte!“

Stille. Niemand erhebt sich. Also versuche ich es. Sollte es jetzt wirklich soweit sein?

„Herr Kübler?“, lächelt mir die Assistentin entgegen.

Ich nicke. Kurz darauf sitze ich im Sprechzimmer auf dem Behandlungsstuhl.

Es folgen Fragen und Tests. Meine Ohren werden durchleuchtet und beschallt. Ich höre Piepen und Brummen und drücke Knöpfe. Schwingt mein Trommelfell?

Ganz schön was los in meinen Ohren, doch das sollte bald wieder weg sein, sagt der Arzt. Und wenn nicht, dann soll ich wiederkommen. Ich bin mir nicht sicher, aber irgendwie meine ich, auch eine versteckte „Stellen-Sie-sich-nicht-so-an“-Botschaft vernommen zu haben. Kann mich aber auch verhört haben.

Nach drei Stunden Warten, Tests und Aufregung darf ich den HNO-Arzt wieder verlassen und mich aufs Gesundwerden konzentrieren. Die beiden Frau Schuberts haben sich offenbar auch vertragen. Beim Rausgehen höre ich, wie ein „Herr Klüver“ aufgerufen wird…

(Foto: Andrea Piacquadio/Pexels)

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..