Hugo ist da (Slam-Edition mit Video)

Diesen Text habe ich am 14. Januar 2017 beim Poetry Slam in Wilhelmsburg vortragen dürfen. Er hat mich ins Finale gebracht, das ich mit einem zweiten Platz abschließen konnte. Allerdings nur, weil die anderen beiden Finalistinnen punktgleich den Sieg mit nach Hause nahmen. Die Siegestrophäe, eine Flasche Whiskey, habe ich trotzdem bekommen, weil die beiden sie mir freundlicherweise überließen. Vielen Dank nochmal!

Ich war nackt, als mich folgende Nachricht erreichte: „Hugo ist da!“

Ich befand mich im Badezimmer und wollte gerade die Dusche betreten, da stoppte mich ein maschinengewehrartiges Klopfen an der Badezimmertür. Ich öffnete. Im Flur stand meine Frau, strahlte mich an und sagte: „Hugo ist da!“

Ich blickte an mir herunter. Hat er jetzt einen Namen?

Nein, du Blödmann!“, wetterte sie. „Hugo ist da!“

Ich schaute zur Haustür. Sie war verschlossen. Um physischen Besuch bei uns konnte es sich also nicht handeln.

Ach, du warst einkaufen…“, fing ich an zu raten und dachte dabei an das gleichnamige Getränk.

Herrgott nochmal!“, rief meine Frau. Ihr Lächeln war einem Gesichtsausdruck gewichen, den Indianer früher gerne bei Kriegserklärungen verwendet haben. „Hugo! Rebecca!“ Sie deutete mit dem rechten Zeigefinger auf ihr linkes Ohr. Erst jetzt merkte ich, dass sie telefonierte.

Ding Dong!

Es klingelte. In meinem Kopf. Der Groschen war gefallen. Er war so groß wie ein Käserad und tat höllisch weh, als er mir von innen gegen die Schädelwand bollerte.

Hugo, na klar, der Sohn von Rebecca und Martin. War offensichtlich geboren worden. Heute. Oder gestern. Egal. Ich hatte verstanden.

Meine Frau nahm das Telefon vom Ohr und drückte eine Taste.

So, jetzt können wir dich beide hören. Stefan ist auch da.“ Offenbar hatte sie die Freisprechfunktion aktiviert.

Hallo Rebecca!“, rief ich. „Herzlichen Glückwunsch! Mann, das ich ja wirklich ne tolle Nachr…“

Rebecca? Nein, ich bin’s. Deine Mutter!“, quäkte es aus dem Hörer.

Jetzt verstand ich wieder nur Bahnhof. Verdutzt blickte ich zu meiner Frau. Ein bisschen schämte ich mich auch, weil ich nackt mit meiner Mutter redete.

Da ist doch nicht Rebecca dran!“, sagte meine Frau und verdrehte die Augen, als wäre ich in meinem Adamskostüm mal eben auf dem Marktplatz spazieren gewesen. „Rebecca ist doch noch im Krankenhaus, Mensch, so kurz nach der Geburt. Deine Mutter hat mir das nur gerade erzählt. Sie hat das von Sabine gehört. Die beiden treffen sich doch öfter. Weißte doch!“

Jaja, wusste ich.

Aber du hast doch gesagt… Rebecca…“, erwiderte ich.

Ja, mein Gott, so habe ich das doch nicht gemeint! Zieh dir erst mal was an!“

Meine Frau ging ins Wohnzimmer, um dort weiter zu telefonieren.

Ich eilte ins Schlafzimmer und bedeckte meine Blöße. Jogginghose und T-Shirt reichten erst mal. Schließlich wollte ich nur kurz die neuesten Infos über den kleinen Hugo abgreifen und dann wie geplant endlich duschen.

Als ich im Wohnzimmer auf dem Sofa Platz nahm, hatte meine Frau die Freisprechfunktion des Telefons ausgeschaltet und den Hörer wieder am Ohr.

So, wie geht’s denn nun dem kleinen Hugo?“, fragte ich und ergänzte: „Und seinen Eltern natürlich.“

Erneutes Augenverdrehen bei meiner Frau.

Warte mal kurz“, sagte sie in den Hörer. Dann zu mir: „Kann ich dir das später erzählen? Wir sind hier schon beim nächsten Thema. Geh ruhig duschen.“

Mir fiel auf die Schnelle keine passende Erwiderung ein. Musste mir auch nicht. Meine Frau war bereits wieder bis zu den Hüften im Gespräch mit meiner Mutter versunken. Ich seufzte demonstrativ, erhob mich und schlurfte zurück ins Bad. Immer dieses Hin und Her. Die Frau an sich sollte in ihrer Artikulationseinheit generell mal nachjustiert werden. Das war mir schon öfter aufgefallen.

Nachdem ich geduscht hatte, klingelte mein Handy.

Naaaa, Alter!“, hörte ich meinen Kumpel Martin kreischen. „Kommste rüber? Hugo ist da! Gibt Bier!“

Ja sicher, Altaaaa!“, krähte ich zurück und legte auf.

Ich zog mich an und schaute wieder ins Wohnzimmer. Meine Frau telefonierte immer noch.

Bier!“, rief ich grinsend. Dann war ich weg.

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