Netter Versuch, Krebs! – Teil 2 (6:00)

Diese Geschichte ist leider nicht lustig, dafür aber wahr. Es geht um die Krebserkrankung, die ich in diesem Jahr zu überstehen hatte. Die Ereignisse liegen bereits ein paar Wochen zurück und mittlerweile befinde ich mich auf dem Weg der Besserung. In Netter Versuch, Krebs – Teil 1 habe ich die erste Phase zwischen Diagnose und erster Operation beschrieben. Hier nun der zweite Teil der Trilogie:

Der neue Stefan Krebs Teil 2

Mit gemischten Gefühlen stieg ich in den Ring zurück, in dem Runde zwei im Kampf zwischen dem Peniskarzinom und mir eingeläutet werden sollte. Ich war optimistisch, doch beim Aufklärungsgespräch vor der OP machte die diensthabende Ärztin deutlich, dass man erst während der Operation feststellen könnte, wie weit sich das Karzinom bereits ausgebreitet hätte. Neben der Eichel würde wahrscheinlich auch ein Teil des Organs dran glauben müssen. Die Ärzte würden solange Gewebe entfernen, bis in ihm kein Krebs mehr nachgewiesen werden könnte. Ich solle mich also nicht wundern, wenn ich hinterher keinen Penis mehr hätte, war der O-Ton der Ärztin. Ich beschloss zunächst, mich nicht über diese sonderbare Wortwahl zu wundern.

Am Tag der Operation hielt sich meine Aufregung zunächst noch in Grenzen, denn die Ärzte hatten bei der Visite um 7.30 Uhr am Morgen angekündigt, dass ich auf Platz zwei der OP-Liste für diesen Tag stehen würde. Außerdem war ich froh, dass es nach den vielen Untersuchungen endlich losgehen sollte. Ich verspürte sogar einen Anflug von Euphorie.

Doch vor der erlösenden Operation stellte mich die Stationsleitung auf eine harte Geduldsprobe. Platz zwei auf der Liste bedeutete offenbar nicht, dass ich bereits vormittags operiert werden würde, sondern irgendwann, wenn gerade Zeit ist, alle Notfälle abgearbeitet sind und die Ärzte ihren Mittagsschlaf beendet haben. So sah ich nicht nur Tabletts mit Frühstück und Mittagessen an mir vorüberziehen, über die sich der Patient im Bett neben mir genüsslich hermachen durfte, sondern ich musste auch den dritten Herren im Zimmer dabei beobachten, wie er sich seinerseits ebenfalls auf eine OP vorbereitete. Der Mann hatte bereits die übliche Beruhigungstablette bekommen und verharrte jetzt in seinem Bett, bis die Schwestern ihn abholten. Das geschah rund eineinhalb Stunden nach Verabreichung der Tablette.

Kurz nachdem am frühen Nachmittag auch noch der duftende Kaffee an mir vorbei getragen wurde, bekam ich endlich mein Signal zum Aufbruch sowie besagte Tablette. Ich verschwand auf der Toilette und betrachtete zum Abschied noch einmal die von Krebs befallene Stelle. Ich empfand eine Mischung aus Angst, Aufregung, Freude und Erleichterung. Auf dem Weg zurück ins Zimmer fühlte ich mich tatsächlich wie ein Boxkämpfer auf dem Weg in den Ring.

Bis zur Operation sollte es jetzt noch mehr als eine Stunde dauern, doch nachdem ich die Beruhigungstablette genommen hatte, schloss ich die Augen, legte mich ins Bett und nahm alles weitere nur noch wie unter einer Glocke wahr. Als die Schwestern das Zimmer betraten, um mich in den OP-Saal zu schieben, war ich kurzzeitig wieder hellwach. Ich sollte meine Brille ablegen, was ich als Glück empfand, denn so verstärkte sich der unscharfe Eindruck meiner Umgebung in diesem Moment noch mehr.

Im OP wollte ich meine Augen eigentlich gar nicht öffnen, doch ich musste vom Bett auf eine Liege umsteigen und mir wurden so viele Fragen gestellt, dass ich mich nicht mehr auf meine Teilnahmslosigkeit konzentrieren konnte. Offenbar wollten die Ärzte meinen Bewusstseinszustand testen. Die Frage, wo ich denn operiert werden sollte, verunsicherte mich zuerst, doch sollte wahrscheinlich nur sicherstellen, dass ich mir darüber im Klaren war, was hier gleich passieren würde.

Leider hatte die lustige Anästhesistin, die noch am Vortag das Aufklärungsgespräch über die Narkose mit mir durchführte, an diesem Tag offenbar keinen Dienst. Doch ihre Vertretung verstand ihr Handwerk ebenso gut, sodass ich kurze Zeit später sanft in meine Vollnarkose hineinschlummerte.

Drei Stunden später kam ich im Aufwachraum der Klinik wieder zu mir. Ich erinnere mich noch, dass ich jemanden registrierte, der mich durch die Gegend schob.

„Geht’s mir gut?“, murmelte ich mit geschlossenen Augen.

„Sie sind ja hier, sieht also gut aus“, lautete in etwa die Antwort des Pflegers.

Der Beginn meiner OP hatte sich dermaßen nach hinten verschoben, dass der stationseigene Aufwachraum hinterher nicht mehr besetzt war. Aus diesem Grund wurde ich umständlicherweise ein Gebäude weiter in einen Aufwachraum gebracht, in dem länger Dienst geschoben wurde. Den Rückweg in mein Zimmer bekam ich hautnah mit. Warum ich das erwähne? Weil ich als Frischoperierter gefühlt einmal quer über den gesamten Campus geschoben, anschließend in einen Krankenwagen verfrachtet und über die holprigsten Pflastersteine der Welt gefahren wurde. Ich war allerdings noch viel zu müde, um zu jammern und als ich kurze Zeit später wieder in meinem Krankenzimmer angekommen war, hatte ich nur noch Hunger.

Nach dem Abendessen, das der Pfleger extra für mich aufgehoben hatte, damit ich es auch um 20 Uhr noch bekam, weilte ich wieder unter den Lebenden. Ich nahm allen Mut zusammen und hob die Bettdecke etwas an. Der Form des Verbandes nach zu urteilen, befand ich mich immer noch im Besitz eines Penis. Vorsichtig tastete ich den Verband ab. Ja, da war noch was. Erleichtert deckte ich mich wieder zu.

Die Visite am nächsten Morgen brachte endgültige Klarheit. Die Ärzte hatten mir außer der befallenen Eichel nur einen weiteren kleinen Teil des Organs entfernen müssen. Mit einem Stück Haut aus meinem Oberschenkel war die betroffene Stelle wie besprochen rekonstruiert worden. In ein paar Wochen sollte es dort fast wieder normal aussehen und funktionieren. Erst Tage später sollte mir klar werden, dass Spezialist Nummer zwei während der OP ein wahres Kunstwerk geschaffen hatte, das ich nie im Leben erwartet hätte.

Runde zwei ging somit ganz klar an mich. Doch ich hatte noch eine weitere Prüfung in Form einer zweiten Operation zu bestehen. Und auch hier war der Ausgang noch völlig offen.

Weiter zu Netter Versuch, Krebs! – Teil 3

11 Gedanken zu „Netter Versuch, Krebs! – Teil 2 (6:00)

  1. […] Eingewiesen in die Uniklinik wurde ich bereits zwei Tage vor dem eigentlichen OP-Termin, und zwar am 28. August, einem Sonntag. Früh am nächsten Morgen sollte eine CT-Untersuchung durchgeführt werden. Diese ging auch wie geplant über die Bühne. Der Dienstag der ersten OP zog sich allerdings ungeahnt in die Länge. Erst am Nachmittag wurde ich für den OP-Saal vorbereitet. Doch das Warten sollte sich lohnen. Der Krebstumor wurde erfolgreich entfernt und die dadurch verlorene Penisspitze mit einem Stück Haut aus dem linken Oberschenkel (Spalthautplastik) rekonstruiert. Recht ansprechend sogar, möchte ich meinen. Die Entlassung aus dem Krankenhaus erfolgte am 9. September 2016, exakt vier Wochen nach meinem C-Day. (Kompletter Beitrag: Netter Versuch, Krebs! Teil 2) […]

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  2. Hallo Stefan, haben grad deine wahre Geschichte gelesen und sind zu tiefst berüht davon. Toll, wie offen du darüber schreiben kannst.
    Wir wünschen dir für den weiteren Weg alles Gute . Behalte deinen Optimismus mit der dazugehörigen Portion Humor.
    Liebe Grüße
    Beate & Michael

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  3. Boah! Da hast du aber was mitgemacht!
    Danke für diesen mutigen, offenen, ehrlichen Bericht – ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt. Und wie man sowas wieder operieren kann. Ich wünsche dir alles, alles Gute!
    LG
    Sabienes

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