Der Ausflug (7:30)

Ausflüge fand ich immer schon toll. Als ich noch klein war, sind wir alle zusammen am Wochenende immer irgendwo hin gefahren. Knoppers und Trinkpäckchen wurden eingepackt und wir schauten uns Schlösser, Zoos, Freizeitparks oder Innenstädte an. Einfach mal so durch die Gegend schlendern, gucken, essen, Tiere streicheln – toll war das.

Auch heute stehe ich nach wie vor auf Ausflüge. Sie sind für mich wie ein kleiner Kurzurlaub zwischendurch. Und auch wenn ich mal einen richtigen Kurz- oder auch längeren Urlaub mache, sei es in Deutschland oder aber im Ausland am Strand, muss ein Ausflug eigentlich immer drin sein. Die nähere Umgebung erkunden, Land und Leute kennenlernen, schlendern, gucken, essen – ein Ausflug im Urlaub ist wie ein kleiner Urlaub mitten im Urlaub.

Manchmal geht sowas aber auch ganz schön nach hinten los. Vor allem, wenn Unternehmungsfreude auf Sparsamkeit trifft.

Meine Frau und ich sind vor einigen Jahren mal in den USA gewesen. Wir wollten zwei Wochen lang die Westküste erkunden. Los Angeles, Las Vegas, San Francisco, Pacific Coast Highway – an sich ein einziger, großer Ausflug. Doch wir wollten zwischendurch noch mehr. Von Las Vegas aus wollten wir für einen Tag den Grand Canyon besichtigen, das größte Loch der Welt. In unserem Hotel in der Spielermetropole hätten wir sogar einen Ausflug dorthin buchen können. Das Angebot umfasste die Busfahrt direkt ins Besucherzentrum am Grand Canyon und zurück inklusive einer Führung zu den schönsten Aussichtspunkten sowie eines Mittagssnacks und sollte 95 Dollar kosten. Pro Person. Umgerechnet waren das damals rund 72 Euro. Ich fing an zu rechnen. Mit einem selbst organisierten Mietwagen plus Benzin und selbst gepacktem Lunchpaket müssten wir doch eigentlich billiger dabei wegkommen, oder? Meine Frau stimmte zu und die Sache war beschlossen.

Der Mietwagen sollte uns 49 Dollar für einen ganzen Tag kosten. Den reservierte ich online vom Hotelzimmer aus. Beim Sprit rechnete ich für die insgesamt rund 240 Kilometer mit nochmal rund 30 Dollar. Proviant wollten wir uns an der Tankstelle gleich mit besorgen, mehr als zehn Dollar sollten dabei nicht draufgehen. Damit hätten wir die Hälfte gegenüber des geführten Ausflugs gespart, freute ich mich und schlief zufrieden ein.

Am nächsten Morgen spazierten meine Frau und ich in das Mietwagenzentrum. Das befand sich direkt im Hotel. Sehr praktisch. Meine Online-Reservierung war dort auch angekommen und unserer Spritztour stand nichts mehr im Weg – außer die Unternehmerfreudigkit der Mitarbeiterin hinter dem Tresen und meine männlichen Triebe. Nachdem die freundliche Dame eine Zeitlang auf ihrer Tastatur herum getackert hatte, blickte sie auf.

„Ich kann ihnen für 29 Dollar ein Upgrade auf einen Ford Mustang anbieten“, sagte sie und strahlte mich dabei an.

„Upgrade?“, fragte ich. „Was für ein Auto würden wir denn ohne Upgrade bekommen?“

„Einen Kia Schuhkarton.“

Sie hatte nicht direkt „Schuhkarton“ gesagt, doch den richtigen Namen des Modells habe ich vergessen und auf dem Foto, das die Dame mir zeigte, sah der kleine Wagen tatsächlich irgendwie wie ein Schuhkarton aus. Außerdem war der lila. Den Mustang hingegen konnte ich in knallrot bekommen. Ich grunzte leicht erregt und blickte sabbernd zu meiner Frau. Die hatte bereits gerechnet. Wir kamen immer noch billiger dabei weg, also war das Upgrade beschlossene Sache.

Wir fuhren mit dem Mustang vom Hof, hielten an einer Tankstelle, tankten wie geplant für 30 Dollar, packten wie geplant Proviant für zehn Dollar ein und suchten uns den nächsten Highway in die Wüste.

Das Upgrade hatte sich wirklich gelohnt. Mit dem roten Blechpenis über die Highways der USA zu brettern, war echt atemberaubend. Allein der Sound! Und dann diese Beschleunigung! Ich konnte es mir nicht verkneifen, bei dem Schätzchen ab und zu das Gaspedal mal ganz durch zu drücken. Hammergeil! Und das für nur 29 Dollar!

Die Fahrt ins Besucherzentrum am Grand Canyon verlief ohne Probleme. Kurz hinter dem Eingang in den Nationalpark wurden wir allerdings von einem Park-Ranger angehalten und auf einen Parkplatz geleitet. Wir wollten doch aber nicht hier schon parken!, regten wir uns auf. Wir wollten doch bis an den Rand des Canyons fahren! Wir parkten am Besucherzentrum und erkundigten uns drinnen, was hier los ist.

Weiterfahren konnten wir uns abschminken. Für Privatfahrzeuge war hier Ende. Weiter kamen wir nur mit den speziell dafür eingerichteten Shuttlebussen. Und das für 42 Dollar pro Person. Gab das unser Budget noch her? Egal, beschlossen wir. Wir waren so weit gefahren, jetzt wollten wir den großen Graben auch sehen. Und die haben hier auch wirklich ein schönes Besucherzentrum hingestellt, dachten wir. Wir bezahlten also lächelnd und stiegen in den Shuttlebus, der draußen bereits auf uns wartete.

Ein paar Minuten lang zuckelten wir über eine staubige Piste, dann näherten wir uns endlich unserem Ziel: dem Grand Canyon. Schon durch das Busfenster sah die Schlucht überwältigend aus. Nachdem wir ausgestiegen waren, spazierten wir bis an den Rand und machten ein paar Fotos. Ich hatte aber noch etwas größeres vor. Ich wollte unbedingt den „Skywalk“ besuchen, einen modernen Steg aus Glas, der direkt über den Abgrund führte. Man stand dort ein paar Meter vom Rand des Canyons entfernt und hatte unter sich knapp 800 Meter Luft bis zum Erdboden. Das muss spektakulär sein, dachte ich, seitdem ich von dieser Attraktion zum ersten Mal gelesen hatte.

Euphorisch marschierten meine Frau und ich auf den gläsernen Steg zu. Innerlich sah ich bereits die unglaublichen Fotos, die ich dort machen konnte. Dann versperrte uns erneut ein Kassenhäuschen den Weg. Der Zugang zum „Skywalk“ sollte tatsächlich weitere 22 Dollar kosten. Pro Person. Budget? Ich hatte keine Lust mehr zu rechnen. Wir waren so weit gefahren, bla bla bla… Zähneknirschend zückte ich meine Geldbörse und bezahlte. Der Blick von dem Steg aus war wirklich unbeschreiblich. Wie genau, das konnte ich hinterher leider niemandem verdeutlichen, denn das Fotografieren war dort verboten. Neben uns beobachtete ich eine Reisegruppe, die den Grand Canyon offensichtlich mit einem gebuchten Ausflug besuchte. Ein Mann war bei ihnen, der jeden einzelnen Touristen auf dem „Skywalk“ fotografierte. Im Vorbeigehen hörte ich einen von ihnen sagen: „Wie gut, dass wir in Las Vegas diesen Ausflug gebucht haben und der Reiseleiter uns hier fotografieren darf.“

Etwas angefressen kehrten wir zu unserem Auto zurück und traten die Heimfahrt nach Las Vegas an. Kurz nach Verlassen des Nationalparks leuchtete im Mustang neben dem Tacho eine Warnlampe auf. Offenbar war der Tank leer. Mit dem Kia Schuhkarton hätten die ursprünglich veranschlagten 30 Dollar wohl locker gereicht. Mit dem Ford Schluckspecht hingegen war nach ein paar Mal Gaspedal durchdrücken schon nach der Hälfte der Strecke Schicht im Schacht. Erneut schüttete ich meine Dollarscheine in den Tank und setzte den Weg anschließend mit einer etwas sparsameren Fahrweise fort.

Abends saßen wir wieder im Hotel. Wir waren glücklich, den Grand Canyon gesehen zu haben. Es war ein erhabenes Gefühl, am Rand dieser Schlucht zu stehen, die nicht ohne Grund eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten der USA ist. Allerdings kamen wir am Ende des Tages doch nicht so günstig dabei weg, wie wir gehofft hatten. Wir wollten ja eigentlich nur die 190 Dollar unterbieten, die uns der geführte Ausflug gekostet hätte. Dieses Ziel hatten wir deutlich verfehlt. Mit dem Mietwagen plus Upgrade, den beiden Tankfüllungen, allen Eintritten und unserem Proviant kamen wir auf rund… ach egal! War ein toller Ausflug!

Die böseste Überraschung erlebten wir allerdings bei der Rückgabe des Mustangs. Wir hatten offenbar übersehen, dass wir den Wagen zusammen mit der Option „leer abholen, voll zurückbringen“ gemietet hattet. So mussten wir die immer noch freundlich lächelnde Dame am Mietwagenschalter unsere Kreditkarte mit weiteren 120 Dollar für den nicht der Vereinbarung entsprechenden leeren Tank belasten lassen. Und was ein Blitzerfoto in den USA kostet, haben wir ein paar Wochen später nach einem Blick in unseren Briefkasten in Deutschland auch erfahren dürfen.

11 Gedanken zu „Der Ausflug (7:30)

  1. Durftest Du als Kind echt Tiere streichen ;-) ? Ich durfte nie, was zum Verkümmern meiner künstlerischen Fähigkeiten führte.
    Und sei ehrlich, beim Busausflug hättest Du weniger zu erzählen gehabt. Aber bei den Auto-Upgrades sollte man vorsichtig sein. Ich hatte auch schon mal das Gefühl, dass man damit nur kaschieren wollte, dass die von mir gebuchte Schuhschachtel gar nicht zur Verfügung stand. Ich buche immer die Schuhschachtel, in gefühlt der Hälfte der Fälle gibt es für das Geld dann ein größeres Auto. Mit der dickeren Tankstellenrechnung.
    Richtig unangenehm wird es aber, wenn man für einen 300 km-Transport einen Transporter bucht und einen LKW bekommt. Da passt dann zwar alles ohne puzzeln rein, es dauert aber doppelt so lange bis man ankommt und die Tankrechnung ist zum Schütteln.

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      1. Da wird die Farben ins Fell geknüpft – von kleinen Kindern in China, weshalb die ja auch heutzutage so selten sind – die Kinder in China spielen mittlerweile lieber PlayStation, als Pandas Hand-zu-Klöppeln…

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    1. Oh Mann, da macht man einmal einen Fehler und das gleich in der vierten Zeile… Aber schön, dass ihr euch amüsiert ;-) Und natürlich habe ich auch Tiere gestrichen damals! Kennt ihr nicht diese Rätselbücher mit den Dingen, die nicht zueinander passen? Da musste man immer die Tiere wegstreichen, die nicht auf einen Bauernhof gehören. Das war ein Spaß! :-)

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