Wie viele Freunde habe ich wirklich? (4:45)

Bei Facebook habe ich aktuell 352 Freunde. Doch wie viele von denen sind tatsächlich mit mir befreundet? Und wie unterscheide ich das? Ich habe meine Facebook-Freunde einmal dahingehend untersucht, wie oft ich jeden einzelnen im Schnitt sehe. Bin ich tatsächlich mit den Menschen am engsten befreundet, die ich am häufigsten sehe? Finden wir es heraus.

Hier das Ergebnis in Zahlen:

Mit sieben Facebook-Freunden bin ich im Schnitt wirklich jeden Tag in Kontakt. Dabei handelt es sich hauptsächlich um meine Frau sowie einige Kollegen, die bei der Arbeit in meiner unmittelbaren Nähe sitzen.

Elf Personen sehe ich gut einmal in der Woche. Meistens sind das ebenfalls Kollegen, die bei der Arbeit allerdings in einer anderen Abteilung und auf einer anderen Etage sitzen.

Alle paar Wochen bis einmal im Monat treffe ich mich mit neun meiner Freunde.

24 Personen sehe ich durchschnittlich alle zwei bis sechs Monate.

48 Personen treffe ich einmal im Jahr.

67 Personen habe ich bereits seit zwei bis drei Jahren nicht mehr gesehen.

Satte 167 Facebook-Freunde habe ich länger als vier Jahre nicht mehr gesehen.

Neun Personen habe ich erst ein einziges Mal getroffen.

Weitere neun Menschen, mit denen ich bei Facebook befreundet bin, habe ich in meinem Leben noch nie persönlich getroffen.

Was sagt uns das? Nüchtern betrachtet kann man daraus schließen, dass ich den größten Teil meiner Facebook-Freunde bereits eine Ewigkeit nicht mehr persönlich gesehen habe. Sind sie trotzdem noch meine Freunde? Ja, natürlich! Vor allem von denjenigen Personen, die ich bereits vier Jahre oder länger nicht mehr gesehen habe, bezeichne ich einen Großteil immer noch als meine Freunde. Und das liegt in erster Linie an den gemeinsamen Erlebnissen und Erfahrungen aus der Zeit, als wir uns noch häufiger getroffen haben. Obwohl ich jemanden lange nicht mehr gesehen habe, heißt das nicht, dass die Freundschaft erloschen ist. Freundschaft setzt sich nicht aus der Häufigkeit der Zusammentreffen zusammen, sondern aus dem Wert der gemeinsamen Erinnerungen.

Facebook ist kein Indikator für Freundschaft. Es ist ein nützliches Werkzeug, um Bekanntschaften zu pflegen. Neue Bekanntschaften kommen hinzu, alte Freundschaften werden nicht aus den Augen verloren.

Die neuen Bekanntschaften sehe ich vielleicht häufiger. Ich habe seit einigen Monaten einen neuen Job und somit viele neue Facebook-Freunde aus dieser Firma gewonnen. Ich schätze meine neuen Kollegen sehr und ich arbeite gerne mit ihnen zusammen. Wir verstehen uns und ich bin sehr froh, in diesem Unternehmen gelandet zu sein, doch Freundschaft ist eine zu gewichtige Sache, als das ich sie nach so kurzer Zeit mit meinen Arbeitskollegen in Verbindung bringen würde.

Je länger ich darüber nachdenke und versuche, meine Untersuchungsergebnisse in Worte zu fassen, desto komplizierter wird die ganze Sache.

Warum bin ich mit neun Menschen bei Facebook befreundet, die ich noch nie persönlich getroffen habe? Ganz einfach: Nach einer ausgelassenen Kneipentour hielt ich es eines Nachts offenbar für eine gute Idee, zahlreichen Menschen, die Facebook mir vorschlug, eine Freundschaftseinladung zu schicken. In den kommenden Tagen wurden viele davon tatsächlich angenommen. Seitdem gehören zu meinen Kontakten unter anderem ein TV-Moderator und zwei Mitglieder einer Heavy-Metal-Band. Wert der Freundschaft? Null. Unterhaltungswert? Hoch.

Und das ist es letztendlich, worum es bei Facebook geht: Unterhaltung. Freundschaften werden hier katalogisiert, verwaltet, verfolgt. Lustige Fotos von meinen Freunden aus Berlin oder Süddeutschland sind nett, aber kurzweilig. Ich klicke „Gefällt mir“ und scrolle weiter. Richtige Freundschaft findet woanders statt. Bei bestimmten Freunden, die ich bereits vier Jahre nicht mehr gesehen habe, bin ich mir sicher: Sollte ich sie um Rat oder Hilfe bitten, wären sie in kürzester Zeit zur Stelle. Ob ich sie über Facebook kontaktieren würde, weiß ich nicht.

Und überhaupt: Mit einem guten Dutzend meiner engsten Freunde bin ich gar nicht bei Facebook vernetzt. Warum? Weil sie gar nicht bei Facebook angemeldet sind. Sie kontaktiere ich ganz altmodisch über E-Mail, SMS oder Telefon. Wie in der Steinzeit, aber es funktioniert!

Menschen verändern sich, entwickeln sich. Lebensmittelpunkte verändern sich, Prioritäten verschieben sich. Ich freue mich, dass das so ist. Schlimm wäre es, wenn es nicht so wäre. Ich freue mich, dass sich meine Freunde in die Welt zerstreuen und ihren Traum leben. Ich freue mich auf die gemeinsame Zeit mit ihnen, in denen wir uns spannende Neuigkeiten und Erlebnisse erzählen können. Die Zeit müssen wir uns einfach nehmen. Zeit ist Luxus und mit wem könnte man diesen Luxus besser teilen, als mit seinen Freunden? Ich trauere nicht um die Monate, in denen wir getrennt sind, sondern freue mich auf die Stunden, die wir gemeinsam verbringen.

Wo jemand seine Freunde findet und wie jemand seine Freundschaften pflegt, muss jeder für sich wissen. Mit oder ohne Facebook ist unwichtig. Das Internet ist weder böse, noch die Erlösung. Gesunder Menschenverstand ist aber auch hier nicht verkehrt. Wer denkt, er sei beliebt, weil er viele Freunde bei Facebook hat, der denkt auch, er sei reich, weil er viele Payback-Punkte hat.

(Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade #Zeitfür von http://fielfalt.de/.)

5 Gedanken zu „Wie viele Freunde habe ich wirklich? (4:45)

  1. Hallo Stefan,

    ein sehr schöner Beitrag der zum Nachdenken anregt. Meine wichtigen Freunden sind gar nicht bei FB – ist mir gerade aufgefallen. Und die, die ich über FB habe, lassen mich im Alltag schmunzeln :-)

    Sonnige Grüße
    Jana

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  2. Ich kenne gerade mal drei meiner 100 „Freunde“ persönlich. Die anderen sind alle Künstler/innen, die vorallem das eigene Tun vorzeigen und anderer Kunst nicht beachten. Ich nehme das alles schon lange nicht mehr ernst.
    Mehr Wert lege ich auf WordPress, wo meiner Ansicht nach das Niveau anders gelagert ist. Was letztendlich zählt, ist die Realität.
    Rutsch gut ins neue Jahr und bleib gesund.
    Liebe Grüße
    Sylvia

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