„Da kommt noch was“ – Final Cut (4:00)

So aufgeregt und gleichzeitig so enttäuscht bin ich noch nie gewesen. Es ist neun Uhr an einem Freitagabend, beste Zeit, um auf die Party von meinem Kumpel zu gehen. Warum ich noch zu Hause auf dem Sofa sitze? Ich warte immer noch auf die Einladung.

Ich wäre soweit, loszugehen. Ich habe meine neue Hose an, dazu mein Lieblings-Party-T-Shirt und meine schwarzen Chucks. Bisschen Deo habe ich drauf, bisschen Parfum und Gel in den Haaren. Jetzt sitze ich ganz steif auf meinem Sofa im Wohnzimmer. Bloß nicht anlehnen, damit das Shirt nicht zerknittert oder Schweißflecken durchkommen. Der Fernseher läuft, aber ich sehe durch ihn hindurch. Ich kann mich schwer auf das Programm konzentrieren und blicke immer wieder auf mein Handy. Die Einladung kommt bestimmt noch. Gleich.

Warum ich mir so sicher bin? Weil mein Kumpel es mir gesagt hat. „Da kommt noch was“, hatte er gesagt. Vor ein paar Wochen, als wir uns zufällig in der Stadt trafen. „Halte dir das Wochenende mal frei“, hatte er gesagt. „Ich feiere meinen Geburtstag ganz groß bei mir zu Hause. Aber da kommt noch was.“

Seitdem warte ich darauf, dass noch was kommt. Aber es kommt nichts. Vor einer Woche war ich mir sicher, dass mein Kumpel gar nicht feiern würde. Vielleicht ist ihm etwas dazwischen gekommen, dachte ich. Klar, dass man dann nicht Bescheid sagt, dass die Party nicht stattfindet, schließlich hatte man ja noch gar nicht offiziell eingeladen. Aber dann traf ich eine gemeinsame Freundin, die mir sagte, dass unser Kumpel an diesem Wochenende sehr wohl feiern würde. Sie selbst hätte zwar auch keine schriftliche Einladung bekommen, ihn letztens aber getroffen und sei dann zwar mündlich, aber ganz offiziell mit Uhrzeit und allem Drum und Dran eingeladen worden. Ich dagegen hatte ihn seit unserer Begegnung in der Stadt nicht mehr gesehen. „Da kommt bestimmt noch was“, sagte die Freundin und wir verabschiedeten uns.

Aber es kam nichts mehr. Vorhin habe ich ihm extra eine Nachricht geschrieben, in der ich ihm überschwänglich zum Geburtstag gratuliert und ihm eine schöne Feier gewünscht habe. Als angemessene Antwort habe ich eigentlich so etwas erwartet wie: „Aber wir sehen uns doch nachher bei meiner Party, oder?“, womit geklärt gewesen wäre, dass er die Einladung an mich schlichtweg verschwitzt hätte. Bei der Planung für eine solch große Feier können einem schließlich ein paar Dinge entfallen. Aber nichts kam.

Meine letzte Chance ist jetzt nur noch unsere gemeinsame Freundin. Die war ja schließlich offiziell eingeladen worden. Ich rechne damit, dass sie so gegen neun Uhr bei der Party ankommt. Ziemlich schnell würde sie meinem Kumpel von mir erzählen. Wie wir uns getroffen hatten und ich ihr erzählt hatte, dass ich gar keine Einladung bekommen hätte. Und sicherlich würde mein Kumpel dann sofort zum Handy greifen und mir eine Nachricht schicken, in der er sich ausführlich entschuldigte und mir versicherte, dass ich natürlich und selbstverständlich eingeladen sei und dass ich auf jeden Fall noch vorbeikommen müsse, wenn ich denn noch frei sei heute Abend.

Natürlich bin ich noch frei. Ich habe extra eine Verabredung auf dem Weihnachtsmarkt und eine Kneipentour mit den Fußballkumpels abgesagt, weil ich mir das Wochenende ja freihalten sollte. Und jetzt sitze ich hier stocksteif auf dem Sofa und gucke irgendeinen Schwedenkrimi im ZDF. Warum gucke ich überhaupt so einen Mist! Und außerdem hängt mir der Magen bis in die Kniekehlen, weil ich extra nicht zu Abend gegessen habe, da es bei den Partys meines Kumpels üblicherweise immer etwas zu Essen gibt! Langsam schiebe ich aber echt Kohldampf! Und Frust!

Ende 1: Während der schwedische Kommissar im Fernsehen langsam vor sich hin ermittelt, werde ich traurig. Ich komme mir richtig albern vor, wie ich partyfertig und ganz allein auf meinem Sofa warte. Wie ein kleines Kind, das noch an den Weihnachtsmann glaubt. Um halb elf gehe ich in die Küche und schmiere mir ein Brot. Wenigstens satt werden will ich jetzt. Und wenn sich in der nächsten halben Stunde keiner meldet, mache ich mir ein Bier auf und feiere allein…

Ende 2: Während der schwedische Kommissar im Fernsehen langsam vor sich hin ermittelt, schlafe ich ein. Als mein Handy mir lautstark den Eingang einer SMS signalisiert, schrecke ich hoch. „Alter, wo bleibst du denn? Wir warten hier auf dich!“, schreibt mein Kumpel. „Habe eben gehört, dass du gar keine Einladung bekommen hast, dabei habe ich dir kurz nach unserem Treffen in der Stadt eine geschickt. Hoffe, wir sehen uns noch!“

Komisch, denke ich. Dann kommt mir eine Idee und ich prüfe den Spam-Ordner meines E-Mail-Postfaches. Und tatsächlich finde ich dort die drei Wochen alte Geburtstagseinladung. Wie sie dort gelandet ist, kann ich mir nicht erklären. Ich schaue auf die Uhr: halb elf. Noch müsste genug Bier vorhanden sein. Und Essen. Ich verlasse das Sofa und freue mich auf die Party.

Ende 3: Während der schwedische Kommissar im Fernsehen langsam vor sich hin ermittelt, schlafe ich ein. Als mein Handy mir lautstark den Eingang einer SMS signalisiert, schrecke ich hoch. Mein Kumpel schreibt: „Danke für die Glückwünsche! Nicht vergessen, morgen Abend fette Party bei mir! Bier und Futter sind am Start! Hoffe, du bist dabei!“ Ich schaue auf die Uhr: halb elf. Noch 20 Stunden bis zur Party. Wenigstens sitzen meine Haare schon.

7 Gedanken zu „„Da kommt noch was“ – Final Cut (4:00)

  1. Mir hätte das Ende gefallen: Mit angetrunkenem Mut stürme ich die Party und sage dem sogenannten Freund, was ich von ihm halte. Was dann dabei heraus kommt, würde bei mir als Romanautorin aber sicherlich ein paar mehr Zeilen brauchen. :-)

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      1. ;-) Ich gebe mir oft Mühe, aber es endet immer böse. Egal, was ich anpacke. Sogar die letzte blumige Liebesgeschichte … Und bei deiner Story kam mir da auch gleich was in den Sinn. :-)

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